Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
ihre Laptops gebeugt dasaßen.
Ich konnte nichts anderes tun, als ungeduldig zu warten, bis meine Maschine aufgerufen wurde, und merkte, dass mein Kopf sich allmählich mit Sarah füllte. Ich wollte diesen Job nicht. Sie hatte mich verdammt schäbig behandelt, aber ich hatte noch immer Sehnsucht nach ihr. Falls stimmte, was ich heute über sie gehört hatte, musste sie unbedingt gestoppt werden, das sah ich ein; ich wollte nur nicht der sein, der diesen Befehl ausführte.
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Ich machte es mir in meinem Sessel in der Business Class bequem und hörte erst das Lachen und Kreischen der von überschüssigen Hormonen pickeligen Jungen und Mädchen des Schülerorchesters zwanzig Reihen hinter mir und dann über die Lautsprecher eine sehr angenehm klingende Westküstenstimme, die uns versicherte, wie sehr das Cockpit- und Kabinenpersonal sich freue, uns heute an Bord zu haben.
Wir bekamen Getränke und zarte Hühnchenbrust im Teigmantel serviert. Als ich dann satt und nicht mehr durstig war, schloss ich die Augen und begann ernstlich darüber nachzudenken, wie ich Sarah finden sollte.
Selbst in Großbritannien werden jährlich eine Viertelmillion Menschen als vermisst gemeldet, von denen über 16000 verschwunden bleiben - nicht etwa, weil sie entführt oder ermordet wurden, sondern aus eigenem Entschluss. Fängt man es richtig an, ist es sehr leicht, spurlos unterzutauchen. Sarah verstand sich darauf; das gehörte zu ihrem Beruf. Einen Vermissten in Großbritannien aufzuspüren war schwierig genug, aber die schiere Größe der Vereinigten Staaten und die Tatsache, dass ich dort niemanden um Hilfe bitten durfte, bedeuteten, dass ich eine Nadel in einem Heuhaufen suchen musste - auf einem Feld voller Heuhaufen, in einem Land voller Felder.
Unabhängig vom Motiv für ihr Verschwinden würde Sarah wie die meisten Leute in unserer Branche für Krisen vorgesorgt haben. Dazu gehörte auch eine andere Identität. Ich besaß sogar zwei - für den Fall, dass eine davon entdeckt wurde. Jeder hatte sein eigene Methode, sich eine andere Identität zuzulegen und sie vor allem vor der Firma geheim zu halten. Musste man jemals vor ihr flüchten, brauchte man einen Vorsprung, und falls Sarah sich bewusst abgesetzt hatte, würde sie ihr Verschwinden sorgfältig geplant haben. Sie war kein Mensch, der sich mit halben Sachen zufrieden gab.
Aber das war ich auch nicht. Ich dachte an meinen neuen Kumpel Nicholas Davidson, den ich letztes Jahr in Australien kennen gelernt hatte. Er war etwas jünger als ich und hatte denselben Vornamen, was immer günstig ist, weil es einem hilft, auf eine neue Identität zu reagieren. Noch wichtiger war jedoch, dass Nick und Davidson sehr häufige Namen sind.
Ich fand ihn in Sydney in einer Schwulenbar. Weltweit ist das im Allgemeinen der beste Ort für das, was ich brauchte. Nicholas, das bekam ich bald heraus, lebte und arbeitete seit sechs Jahren in Australien; er hatte hier einen guten Job hinter der Bar, gemeinsam mit seinem Partner ein Haus und vor allem nicht die Absicht, jemals nach England zurückzukehren. »Sieh dir das Wetter an«, sagte er, indem er aus dem Fenster deutete. »Sieh dir die Leute an. Sieh dir ihre Lebensart an. Wozu sollte ich zurückgehen wollen?« In den drei Wochen, die ich in Sydney verbrachte, lernte ich ihn besser kennen, indem ich während seiner Schicht häufig in der Bar aufkreuzte und mit ihm schwatzte. Ich lernte dort auch andere Schwule kennen, aber sie hatten nicht das, was Nicholas hatte. Er war mein Mann.
Nach meiner Rückkehr nach England richtete ich unter seinem Namen eine Deckadresse ein. Dann ging ich ins Rathaus, ließ Nicholas unter dieser Adresse ins Wählerverzeichnis aufnehmen, meldete seinen Führerschein als verloren und beantragte einen Ersatzführerschein. Drei Wochen später hielt ich das neue Dokument in Händen.
In dieser Zeit besuchte ich auch das Geburts- und Sterberegister im St. Catherine’s House in London und ließ mir eine Kopie seiner Geburtsurkunde machen. Nicholas hatte nicht gern über seine Vergangenheit gesprochen, und ich hatte nur herausbekommen können, wann er Geburtstag hatte und wo er geboren war. Weiteres Nachbohren hätte Verdacht erregt, und sein Partner Brian war ohnehin schon sauer, weil ich mich so auffällig für Nicholas zu interessieren schien. Ich brauchte einige Stunden, um die Eintragungen für 1960 und 1961 durchzusehen, aber dann hatte ich ihn gefunden.
Ich ging zur Polizei und zeigte an, mein Reisepass sei
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