Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
gestohlen worden. Das Aktenzeichen, unter dem meine Anzeige bearbeitet wurde, gab ich auf dem Antrag zur Ausstellung eines Ersatzpasses an. Das und die beigelegte Geburtsurkunde genügten: Nick Davidson II. war bald stolzer Besitzer eines druckfrischen Reisepasses, der zehn Jahre lang gelten würde.
Aber das reichte noch nicht. Zu einer wirklich authentischen Identität gehören auch Kreditkarten. In den folgenden Monaten trat ich mehreren Buchklubs bei; ich kaufte sogar eine scheußliche Figur aus Worcester-Porzellan, für die in der Sonntagsbeilage meiner Zeitung geworben wurde, und bezahlte sie per Postanweisung. Das brachte mir Rechnungen und Quittungen ein, die alle an die Deckadresse gingen.
Als Nächstes eröffnete ich mit einigen hundert Pfund ein Bankkonto, richtete Daueraufträge für die Buchklubs ein und ließ es einige Monate lang ruhen. Dann konnte ich endlich eine Kreditkarte beantragen. So lange man im Wählerverzeichnis steht, ein Bankkonto hat und nicht als Kreditrisiko gilt, gehört einem die Karte. Und sobald man eine hat, werden einem die aller übrigen Banken förmlich aufgedrängt. Zum Glück schien Nick I. bei seiner Abreise keine unbezahlten Rechnungen hinterlassen zu haben - sonst hätte ich wieder von vorn anfangen müssen.
Ich überlegte, ob ich einen Schritt weiter gehen und eine Nummer bei der Nationalversicherung beantragen sollte, aber das war eigentlich nicht der Mühe wert. Ich hatte Geld, einen Reisepass und Kreditkarten; das musste genügen. Außerdem kann man einfach zum Arbeitsamt gehen und angeben, man fange am kommenden Montag an zu arbeiten. Dann bekommt man auf der Stelle eine vorläufige Nummer, die man jahrelang verwenden kann. Sollte das nicht funktionieren, kann man einfach eine erfinden; das System ist so ineffizient, dass es endlos lange braucht, um Betrügereien zu entdecken.
Sobald ich den Reisepass und die Kreditkarten hatte, machte ich eine Kurzreise, um mich davon zu überzeugen, dass alles funktionierte. Danach benutzte ich sie regelmäßig, damit der Pass ein paar Ein- und Ausreisestempel erhielt und die Kreditkarten nicht wegen Nichtbenutzung verfielen.
Genau wie ich es an ihrer Stelle getan hätte, würde Sarah ihr gesamtes bisheriges Leben hinter sich lassen. Sie würde sich weder bei Angehörigen noch Freunden melden; sie würde auf all die kleinen Dinge, all die kleinen Exzentrizitäten verzichten, die ihr Leben geprägt hatten und sie jetzt verraten konnten.
Ich begann darüber nachzudenken, was Sarah mir über ihre Vergangenheit erzählt hatte, denn ohne Hilfe von außen war das mein einziger Anhaltspunkt. In Wirklichkeit wusste ich sehr wenig über sie - außer der Tatsache, dass sie vor einiger Zeit einen Freund gehabt hatte, dem sie den Laufpass gegeben hatte, weil er sie mit einer anderen betrogen hatte. Gerüchteweise hieß es, diese heftige Auseinandersetzung mit Sarah habe ihn einen Finger gekostet, aber mehr war darüber nicht bekannt. Vielleicht konnte der eisenköpfige Mickey Warner mir helfen, wenn ich so tat, als hingen meine Fragen mit einer Sicherheitsüberprüfung zusammen. Er würde mir ohnehin massenhaft Fragen beantworten müssen.
Von ihren Familienverhältnissen hatte Sarah mir nie viel erzählt. Trotzdem wusste ich, dass unsere emotionale Prägung sehr ähnlich war, auch wenn wir an unterschiedlichen Enden des sozialen Spektrums aufgewachsen waren. Ihre Eltern hatten sich so wenig um sie gekümmert wie meine um mich. Sie war als Zehnjährige ins Internat abgeschoben worden, und ich . nun, ich war nur abgeschoben worden. Ihr Familienleben war eine Wüste, die keine Hinweise liefern würde. Je länger ich darüber nachdachte, desto kleiner schien die Nadel und desto größer der Heuhaufen zu werden.
Das Ganze lief daraus hinaus, dass sie spurlos verschwinden konnte, wenn sie wirklich wollte - kein Mensch würde sie jemals finden. Ich konnte monatelang auf ihrer Fährte bleiben, ohne ihr wirklich näher zu kommen. Ich zermarterte mir vergeblich den Kopf, um mich an irgendetwas zu erinnern, das mir weiterhelfen konnte, um irgendeinen kleinen Hinweis aus der Vergangenheit zu entdecken, der mich auf ihre Spur führen würde.
Ich drückte auf den Rufknopf und ließ mir ein paar Biere bringen - teils damit ich besser einschlafen konnte, teils weil es nach der Landung in Washington für mich keinen Alkohol mehr geben würde. Meinen Grundsatz, bei der Arbeit nicht zu trinken, befolgte ich eisern.
Plötzlich kam mir der Gedanke, ein Teil
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