Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Objektivmitte fallen ließ, konnte es bleistiftdünn sein. Ich positionierte das Objektiv genau vor dem Loch, das jetzt als Blende fungierte - und stellte es auf den Bereich zwischen Garagentor und Nebenausgang scharf. Damit war die Kamera schussbereit. Falls jemand ins Freie trat, brauchte ich sie nicht erst in Stellung zu bringen, sondern nur den Drahtauslöser zu betätigen. Nicht nur bedeutete weniger Bewegung auch weniger Geräusch, sondern ich konnte die Leute beobachten und in aller Ruhe knipsen, statt versuchen zu müssen, das Objektiv hastig scharf zu stellen.
Als ich damit fertig war, umgab ich die drei Stativbeine mit Erde und Steinen, damit es stabiler stand. Nach einer letzten Kontrolle, ob das Tarnnetz nicht das Objektiv verdeckte, überzeugte ich mich davon, dass der Drahtauslöser richtig eingeschraubt war.
Nun wurde es Zeit, etwas zu essen und zu trinken, bevor der Spaß losging. Obwohl ich nicht durstig war, schraubte ich eine der Mineralwasserflaschen auf und trank zwei, drei große Schlucke. Ich hatte eigentlich auch keinen besonderen Hunger; trotzdem packte ich eine Scheibe Büchsenfleisch aus und aß sie langsam, ohne dabei das Zielobjekt aus den Augen zu lassen.
Nachdem ich aufgegessen hatten, knüllte ich die
Frischhaltefolie zu einer kleinen Kugel zusammen und bedeckte sie mit Erde. Das sollte verhindern, dass ein Fliegenschwarm wie eine auf mein Versteck zeigende Hand über dem Busch hing. Essen und Trinken würden meine Verdauung anregen, aber das oft bewährte Imodium würde hoffentlich auch diesmal zuverlässig wirken.
Ich lag auf dem Bauch, hatte die Kamera schräg links über meinem Kopf, beobachtete das Ziel und hielt dabei den Drahtauslöser in einer Hand. Meine Arme waren verschränkt, und mein Kinn ruhte auf den Unterarmen; das war’s bereits - ich konnte nicht mehr tun, als zu beobachten und zu horchen. Natürlich konnte man dabei vor Langeweile fast eingehen, aber ich wusste, dass die Tücke des Schicksals es so einrichten würde, dass Sarah höchstens fünf Sekunden lang sichtbar war, und es wäre verdammt peinlich gewesen, sie dabei zu verpassen. Ich musste wach bleiben und gegen die Langeweile ankämpfen. Ein Blick auf die Baby-G zeigte mir, dass es erst 5.37 Uhr war.
Ich begann wieder über Sarah nachzudenken. Was hatte sie vor, falls sie tatsächlich hier im Haus war? Ich wusste nicht genau, was gespielt wurde - aber vielleicht wollte ich das zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht wissen. Dann erklärte mir eine innere Stimme, das sei natürlich gelogen. In Wirklichkeit brannte ich darauf, es zu erfahren.
Das Haus war jetzt recht gut zu sehen. Es war mit weißen Wasserschlagbrettern verkleidet, die einen neuen Anstrich hätten brauchen können. Jedes der drei Geschosse wies zum See hin drei Fenster auf - einfache zweiflüglige Holzfenster ohne Jalousien oder Fensterläden.
Ich sah auch Halogenscheinwerfer mit Infrarot-Bewegungs- meldern, die vermutlich die gesamte Umgebung des Hauses abdeckten. Wären sie nachts eingeschaltet gewesen und hätten meinen Busch erfasst, hätten sie die Nacht strahlend hell erleuchtet.
Im Erdgeschoss führte eine Terrassentür auf eine kleine Veranda mit Seeblick hinaus, die über der Garage ans Haus angebaut war. Darunter standen die beiden Flügel des Garagentors, über denen ich noch einen Scheinwerfer mit IR- Bewegungsmelder erkannte, weiter angelehnt offen.
Das Boot, ein cremeweißer Viersitzer mit dem Führersitz in der Mitte, schien nicht bewegt worden zu sein, seit ich es am Vortag durchs Fernglas begutachtet hatte. Der Außenbordmotor zeigte weiterhin zum Haus; die Deichsel des Bootsanhängers ruhte am Anfang der zum Wasser hinunterführenden betonierten Schräge.
Die Garagenwände bestanden aus weißem Gitterwerk, das innen mit Sperrholzplatten, die zwischen den Hausstützen angeschraubt waren, kaschiert war. In die Wand vor mir war die Seitentür eingesetzt, die in die Garage zu führen schien. Links neben ihr stand eine Wäschespinne, an der jedoch keine Wäsche hing, was angesichts des Wetters nicht verwunderlich war. Hinter keinem der für die Nacht gekippten Fenster des Hauses brannte Licht.
Ich sah nicht einmal Mülltonnen, in denen ich in der kommenden Nacht hätte stöbern können, um festzustellen, ob Sarah hier war. Die Augen der Menschen mögen ein Spiegel ihrer Seele sein, aber ihre Mülltonnen spiegeln verdammt viel anderes wider. Ich hatte schon oft darüber gestaunt, dass sogar intelligente Menschen zu glauben
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