Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
endlich alle Schlösser aufbekam.
Dann öffnete er die Wohnungstür und tastete nach dem Lichtschalter.
Aus dem Raum, den wir jetzt betraten, kam der Kohlgestank jedenfalls nicht. Ich nahm den typischen Geruch von schweren Holzkisten und Waffenöl wahr; diesen Geruch hätte ich überall wieder erkannt. Er erinnerte mich sofort an jenen Tag im Jahr 1976, an dem ich mit 16 Jahren in die britische Armee eingetreten war.
Die unvermeidliche nackte Glühbirne erhellte einen winzigen Vorraum, kaum größer als zwei mal zwei Meter, mit drei weiteren Türen. Acht verschwand durch die linke, und ich folgte ihm, nachdem ich die Wohnungstür geschlossen und alle Schlösser hatte einschnappen lassen.
In der Deckenleuchte, auf die in den sechziger Jahren jede Familie stolz gewesen wäre, brannte nur eine der vier Glühbirnen. In dem kleinen Raum standen Holzkisten, Kartons aus Wachspappe und gewöhnliche Pappkartons, aus denen Munition aller Kaliber quoll - alle mit Aufdrucken in kyrillischer Schrift. Das Ganze wirkte sehr tschadisch: Es erinnerte an einen Tschad, dessen Haltbarkeitsdatum gefährlich überschritten war.
Vor mir hatte ich einen Stapel brauner Kisten mit Seilgriffen. Als ich den Deckel der obersten Kiste abnahm, erkannte ich die tellerförmigen mattgrünen Behälter sofort. Acht, der bis über beide Ohren grinste, imitierte eine Detonation und deutete mit den Händen an, wie alles auseinander flog. Auch er schien zu wissen, dass das Panzerminen waren. »Siehst du, Worsim besorgt dir alles, Mann. Zufriedenheit garantiert, ja?«
Ich nickte nur, während ich mich weiter umsah. Überall waren Pappkartons. Sie waren feucht gewesen, als sie aufgestapelt worden waren, und deshalb unter dem auf ihnen lastenden Gewicht geplatzt. Ihr Inhalt hatte sich auf den Fußboden entleert. In einer Ecke sah ich ein halbes Dutzend Elektrozünder liegen: Aluminiumröhren von der Größe einer angerauchten Zigarette mit zwei Silberdrähten, die einen halben Meter lang aus einem Ende heraushingen. Diese Silberdrähte waren lose, nicht verdrillt, was erschreckend war, denn so wirkten sie als Antennen für von außen kommende Energie - zum Beispiel die eines in der Nähe eingeschalteten Handys - und konnten mit dem ganzen hier gestapelten Scheiß hochgehen. Dieses Waffenlager war ein Alptraum. Den Russen war es Anfang der neunziger Jahre anscheinend ziemlich egal gewesen, ob das von ihnen zurückgelassene Kriegsmaterial in falsche Hände geriet.
Ich hob einen Zünder nach dem anderen auf, verdrillte die Drahtenden, um den Schaltkreis zu schließen, sah mich dann weiter in dem Waffenlager um und riss ein paar Kartons auf, um zu sehen, was sie enthielten. Das tat auch Acht - weil ich glauben sollte, er verstehe etwas von diesem Zeug, oder aus reiner Neugier. Ich packte ihn am Arm und schüttelte den Kopf, weil ich nicht wollte, dass er mit irgendwas spielte. Es wäre nett gewesen, hier mit allem Krempel rauszukommen, den ich brauchte, und ohne dass Acht weitere Finger verlor.
Er wirkte gekränkt. Damit er beschäftigt war, zog ich die Versicherungspolice heraus, sobald ich die Zünder entschärft und in einen leeren Munitionskasten gelegt hatte. »Was steht hier drauf, Worsim?« Ich ging davon aus, dass er seine Muttersprache lesen konnte.
Als er unter die Glühbirne trat, entdeckte ich ein paar Meter dunkelgrüne Zündschnur. Keine praktische 200- Meter-Trommel, die ich mir gewünscht hätte, sondern verschiedene Längen - fünf Meter hier, zehn Meter da -, aber dann stieß ich auf eine bereits gebrauchte Trommel mit bestimmt noch 80 bis 90 Meter Zündschnur, die reichlich genügen würden.
Ich stellte die Trommel beiseite und machte einen Rundgang durch die beiden anderen Räume der Wohnung. Das dauerte nicht lange, weil sie ungefähr so groß wie Besenkammern waren: eine winzige
Kombination aus Küche, Dusche und WC und ein noch kleineres Schlafzimmer. Ich war auf der Suche nach Plastiksprengstoff, aber ich wurde nicht fündig. Der einzige Plastiksprengstoff, den es hier gab, steckte in den Panzerminen, die allerdings mehr als genug enthielten.
Ich ging ins Wohnzimmer zurück und hob eine Tellermine aus der offenen Kiste. Das Ding war eine TM 40 oder 46, die richtige Bezeichnung konnte ich mir nie merken; ich wusste nur, dass die beiden Ausführungen sich durch ihr Gehäuse - Stahlblech oder Kunststoff - unterschieden. Dies hier war die Metallausführung, die bei etwa 30 Zentimetern Durchmesser ungefähr zehn Kilo wog, wovon fast
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