Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
sechs Kilo Plastiksprengstoff waren. Ihre Form erinnerte an eine altmodische Wärmflasche aus Zink- oder Kupferblech mit einem einklappbaren Tragegriff wie am Trinkbecher einer Feldflasche.
Den Plastiksprengstoff aus diesen Dingern herauszuholen, würde verdammt mühsam sein, aber was konnte ich anderes erwarten?
Ich legte die Tellermine auf den nackten Holzfußboden und versuchte den oben in der Mitte eingesetzten Stopfen herauszudrehen. Bevor man die Mine verlegt, braucht man den Stopfen nur durch einen Zündmechanismus - normalerweise eine Kombination aus Zünder und Sprengkapsel - zu ersetzen; dann tritt man weit zurück und wartet auf einen Panzer.
Als der unter Fett und Schmutz festsitzende Stopfen sich endlich drehen ließ und mir dabei Marzipangeruch in die Nase stieg, wusste ich sofort, dass die Tellermine uralt war. Diese Ausführung wurde schon seit langem nicht mehr hergestellt. Sie funktionierte noch, sie erfüllte ihre Aufgabe, aber das Nitroglyzerin wirkte nicht nur gegen Panzer, sondern schädigte auch Kopf und Haut jedes Soldaten, der sie vorbereitete. Arbeitete man in geschlossenen Räumen an solchen Minen, bekam man garantiert grässliche Kopfschmerzen, und falls das Zeug durch Hautverletzungen eindrang, verursachte es teuflische Schmerzen. Ich schluckte schon jetzt genügend Aspirin und hatte eigentlich keine Lust, mir auch das noch aufzuhalsen.
Acht hielt meine Versicherungspolice hoch. »Hey, Nikolai, dieses Ding ist echt cool.«
»Was steht darin?«
»Es stammt von einem gewissen Ignati. Er schreibt, dass du sein Mann bist. Was du brauchst, muss dir zur Verfügung gestellt werden. Du stehst unter seinem
Schutz, Mann.« Er sah von dem Zettel auf. »Dann wird’s echt heavy. Hier steht: >Hilfst du meinem Freund nicht, liquidiere ich deine Frau, und wenn du zwei Wochen um sie geweint hast, lege ich deine Kinder um. Wieder zwei Wochen später bist du an der Reihe.< Echt heavy, Mann.«
»Wer ist Ignati?«
Er zuckte mit den Schultern. »Dein Freund, stimmt’s?«
Nein, nicht meiner, sondern Vals Freund. Die Kartenspieler hatten ihn gekannt, das stand fest. Ich nahm Acht die Versicherungspolice aus der Hand und steckte sie wieder ein. Jetzt wusste ich, was Liv gemeint hatte, als sie davon gesprochen hatte, Tom habe Drohungen erhalten, im Vergleich zu denen die der Briten lahm gewirkt haben mussten. Kein Wunder, dass er die Klappe gehalten und einfach seine Haftstrafe abgesessen hatte.
Gemeinsam schleppten wir mehrere Kisten zum Auto hinunter und kamen dabei wieder an dem Jungen vorbei, der noch genau so an der Wand lag, wie ich ihn hingelegt hatte. Beim letzten Trip nach unten sperrte Acht die Wohnungstür ab; dann standen wir mit dem Dröhnen und Poltern der Fabrik im Hintergrund neben seinem Lada. Acht wollte zu Fuß weitergehen, um einen in der Nähe wohnenden Freund zu besuchen.
Als ich mich von ihm verabschiedete, tat er mir richtig Leid. Wie die meisten seiner Landsleute war er zu einer jämmerlichen Existenz verdammt.
»Vielen Dank, Kumpel, und ich bringe den Wagen in ungefähr zwei Tagen zurück.«
Ich schüttelte seine kalte Hand und öffnete die Fahrertür, als er davonging.
Dann rief er mich an. »Jo, Nikolai! Hey ...« Seine Stimme klang plötzlich weniger selbstbewusst. »Kann ich . Nimmst du mich nach England mit?«
Ich drehte mich nicht nach ihm um; ich wollte so schnell wie möglich los. »Warum?«
»Ich könnte für dich arbeiten. Mein Englisch ist cool.«
Ich hörte ihn wieder näher kommen. »Nimm mich mit, Mann. Du wirst sehen, das wird ’ne coole Sache. Ich möchte nach England und von dort aus nach Amerika.«
»Hör zu, ich bin bald wieder da, und dann reden wir darüber, okay?«
»Wann?«
»Wie ich schon gesagt habe - in zwei Tagen.«
Er schüttelte mir mit allen Fingern, die er noch hatte, erneut die Hand. »Cool. Also, dann bis bald, Nikolai. Das wird echt cool. Ich verkaufe den Wagen und . und kaufe mir neue Klamotten.«
Er hüpfte praktisch die Straße entlang, winkte mir zu und träumte schon von seinem neuen Leben, während ich dem Anlasser einen Hammerschlag versetzte, den Motor anließ, wendete und auf der Fahrt zur Hauptstraße an Acht vorbeikam.
Ich war erst 100 Meter weit gefahren, als ich hielt und den Rückwärtsgang einlegte. Scheiße, das konnte ich nicht machen.
Als ich neben ihm hielt und das Fenster herunterkurbelte, beugte er sich mit breitem Grinsen zu mir hinunter. »Was gibt’s, Mann?«
»Tut mir Leid, Worsim, aber ich kann dich
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