Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
suchte.
Das Reifengeräusch änderte sich, als ich auf die
Makadamstraße abbog. Wie die Zufahrt zu Livs Haus war sie vereist, aber von Schnee geräumt und mit Split bestreut.
Da ich noch einige Kilometer zu fahren hatte, wollte ich sichergehen, dass ich gleich beim ersten Versuch die richtige Zufahrt erwischte. Es wäre keine gute Idee gewesen, mit Fernlicht und aufheulendem Motor die Straße hinauf und hinunter zu fahren. Auf der Karte waren in diesem Gebiet verstreut liegende einzelne Häuser eingezeichnet, und ich kam in Abständen von etwa einem Kilometer an Briefkästen vorbei. Trotzdem war nirgends Licht zu sehen, als ich langsam weiterfuhr und jeden in den Wald hineinführenden Weg mit meiner Karte verglich.
Als ich die richtige Zufahrt gefunden hatte, fuhr ich zunächst daran vorbei, um entlang der Straße eine Stelle zu suchen, an der ich den Saab so abstellen konnte, dass er nicht verlassen, sondern ordnungsgemäß geparkt wirkte. Ungefähr 300 Meter weiter fand ich eine
Ausweichstelle für Holzlaster. Dort parkte ich und stellte den Motor ab.
Draußen war es kälter als in einer Tiefkühltruhe. Ich zog die im Kaufhaus Stockmann gekauften Handschuhe mit Nylonfutter an, setzte meine schwarze Wollmütze auf, stieg aus und drückte auf den Schlüsselanhänger. Als die Infrarot-Zentralverriegelung ansprach, leuchtete die Warnblinkanlage zweimal kurz auf, aber das ließ sich nicht ändern.
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Bevor ich auf der Makadamstraße zurückging,
vergewisserte ich mich, dass die Wollmütze nicht etwa meine Ohren verdeckte; ich befand mich auf einem
Erkundungsvorstoß und musste hören können, ohne dass Geräusche durch eine dicke Schicht Wolle gedämpft wurden.
Nach der behaglichen Wärme in dem Saab war es im
Freien bitterkalt. Um mich herum war es Nacht. Ich hörte nur meine eigenen Atemzüge und das Knirschen des
einige Zentimeter hohen Neuschnees unter meinen
Stiefeln. Meine Welt bestand nur aus Bäumen, Schnee und eiskalter Nase und Ohren.
Als ich die Zufahrt erreichte, blieb ich stehen, um zu beobachten und zu horchen. Nichts. Meine Augen
würden noch ungefähr eine Viertelstunde brauchen, um sich an die hiesigen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Mit etwas Glück würde ich dann etwas mehr vom Wald
erkennen als eine kaum gegliederte schwarze Mauer.
Ich setzte mich wieder in Bewegung und folgte
langsam der Zufahrt. Sie war offenbar von vielen Autos benutzt worden, denn in den Fahrspuren auf beiden Seiten des leicht erhöhten Mittelstücks lag statt Schnee nur festgefahrenes Eis. Auf beiden Seiten der Zufahrt drängte sich der Wald bis dicht an die Fahrbahn heran.
Vorläufig konnte ich kaum zwei Meter weit sehen,
aber ich wusste, dass sich das ändern würde, wenn meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Um
möglichst keine Spuren zu hinterlassen, balancierte ich wie ein Seiltänzer die linke Fahrspur entlang. Ich durfte auf keinen Fall ausrutschen, in den Schneewechten am 258
Fahrbahnrand landen und so Spuren hinterlassen, die jedem Fünfjährigen aufgefallen wären.
Nach etwa fünf Minuten begann ich vor mir, wo das Zielobjekt liegen musste, einen schwachen, diffusen Lichtschein wahrzunehmen. Daraus wurden
Lichtstrahlen, die über den Nachthimmel tanzten oder auf mich gerichtet waren, für kurze Zeit ganz verschwanden und dann wieder ruckelnd in meine Richtung leuchteten.
Ich wusste genau, was sie waren: Autoscheinwerfer, die auf mich zukamen.
Da ich noch nicht einmal den Motor hörte, konnte ich unmöglich bereits gesehen werden. Die Scheinwerfer kamen unaufhaltsam näher. Wollte ich verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, blieb mir nichts anderes übrig, als über den Schneewall am Fahrbahnrand zu hechten.
Das Brummen des Motors drang an mein Ohr, und die Bäume in meiner Umgebung gerieten in den äußersten Erfassungsbereich der Scheinwerfer. Ich wandte mich dem Fahrbahnrand zu, entschied mich hoffnungsvoll für eine Lücke zwischen zwei Bäumen, beugte mich zurück, um Schwung zu holen, und sprang. Ich schaffte es, den höchsten Teil der Wechte zu überspringen, rollte mich wie ein Fallschirmspringer ab und landete mit dumpfem Aufprall. Unter der Schneedecke lag gewachsener Fels, auf den ich mit voller Wucht knallte, sodass ich nach Atem ringend liegen blieb.
Dann begann ich wie ein Tier auf allen vieren
weiterzukriechen, um mich unter den tief
herabhängenden Ästen des nächsten Baums zu
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verstecken. Das Fahrzeug kam unaufhaltsam näher.
Ich kehrte der
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