Nick Stone - 04 - Eingekreist
als ich mich umdrehte, sah ich Luz neben ihrer Mutter knien; sie hielt einen Joint in den Fingern und bemühte sich, ihn Carrie zwischen die Lippen zu stecken, wenn der Wagen gerade mal nicht holperte. Ich angelte das
Dihydrocodein aus meiner Tasche. »Hier, gib deiner
Mom noch eine dieser Tabletten mit etwas Wasser. Zeig dem Arzt oder sonst jemandem das Fläschchen. Sie hat insgesamt vier dieser Tabletten und ein Aspirin
bekommen. Verstanden?«
Nach endlos langer Fahrt kam die befestigte
Polizeistation in Sicht, und ich fragte nach einer
Wegbeschreibung. »Wo liegt die Klinik? Wie muss ich fahren?«
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Dafür war jetzt Luz zuständig; ihre Mutter war
endgültig außer Gefecht. »Sie liegt sozusagen hinter dem Supermarkt.«
Den kannte ich. Wir kamen an dem Restaurant
vorbei, und der Jaguar interessierte sich nicht einmal für mich, als wir in den dunklen Teil von Chepo
weiterfuhren.
Ich sah nochmals auf die Borduhr. Es war kurz vor
Mitternacht. Mir blieben nur noch zehn Stunden, um zu tun, was ich tun musste.
Unmittelbar vor dem aus Hohlblocksteinen erbauten
Supermarkt bog ich rechts ab. »Ist das die richtige Zufahrt, Luz? Bin ich hier richtig?«
»Ja – sie liegt gleich dort vorn, siehst du?«
Eine Hand kam über meine Schulter und deutete nach
vorn. Drei Häuser weiter stand ein weiteres Gebäude aus Hohlblocksteinen mit einem Wellblechdach und dem runden Friedenskorpszeichen – Stars and Stripes, nur dass die Sterne durch Friedenstauben ersetzt waren. Bei der allgemein schlechten Beleuchtung war das kaum zu erkennen.
Ich hielt vor dem Gebäude, und Luz sprang hinten
aus dem Wagen. Ich sah, dass dies keineswegs eine
Notfallambulanz war, denn unter weiteren
Friedenstauben verkündete ein Holzschild: U.S. Peace Corps – Projekt zur Weckung von kommunalem
Umweltbewusstsein.
Luz hämmerte bereits an die Tür, als ich mich nach
Carrie umdrehte. »Wir sind da, Carrie, wir sind da.«
Ich bekam keine Antwort. Sie schwebte eindeutig in
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anderen Sphären, aber zumindest hatte sie keine
Schmerzen.
Das Hämmern an die Tür zeigte Erfolg. Als ich
ausstieg und nach hinten ging, erschien eine Frau Mitte zwanzig mit langen braunen Haaren, die vom Schlaf
zerzaust waren, in einem Jogginganzug auf der
Schwelle. Ihre Augen bewegten sich rasch hin und her, während sie sich bemühte, die Szene vor ihr zu erfassen.
»Was ist passiert, Luz?«
Während Luz mit einer aufgeregten Erklärung
begann, stieg ich hinten in den Land Cruiser und
knotete die zur Sicherung angebrachte Elastikbinde auf.
»Wir sind da, Carrie«, wiederholte ich.
Sie murmelte etwas vor sich hin, als die junge Frau –
unterdessen hellwach – an die Heckklappe trat. »Carrie, ich bin’s, Janet – kannst du mich hören? Hier ist Janet, kannst du mich hören?«
Für eine Begrüßung blieb keine Zeit. »Haben Sie
etwas zur Traumaversorgung? Sie hat links einen
offenen Oberschenkelbruch.«
Janet streckte ihre Arme aus, und ich begann das
Feldbett aus dem Laderaum zu schieben. Ich fasste am anderen Ende an, und wir trugen Carrie gemeinsam
hinein.
Das Büro war mit ein paar Schreibtischen,
Pinnwänden aus Kork, einem Telefon und einer
Wanduhr nur spärlich möbliert. Was ich bisher gesehen hatte, trug nicht dazu bei, mich in Bezug auf ihre
Erfahrung mit medizinischen Notfällen zuversichtlicher zu stimmen. »Können Sie sie behandeln? Sonst muss ich 538
sie in die Stadt bringen.«
Die Frau sah mich an, als sei ich übergeschnappt.
Aus dem rückwärtigen Teil des Gebäudes tauchten
weitere Leute auf: drei junge Amerikaner in
unterschiedlichen Stadien schlaftrunkener Zerzaustheit, die aufgeregt durcheinander fragten: »Was ist passiert, Carrie? Wo ist Aaron? O Gott, alles in Ordnung, Luz?«
Ich blieb im Hintergrund, während Carries
Versorgung anlief. Ein Traumapack wurde geholt; der Plasmabeutel und das Infusionsbesteck wurden
herausgenommen und vorbereitet. Das Ganze war keine mehrmals geprobte Szene aus Emergency Room , aber diese Leute wussten genau, was sie taten. Ich sah zu Luz hinüber, die auf dem Fußboden saß und die Hand ihrer Mutter hielt, während Janet das Dihydrocodein-Etikett auf dem braunen Fläschchen las.
Auf der Wanduhr war es 0.27 Uhr – noch
neuneinhalb Stunden. Ich ließ die Leute vom
Friedenskorps weiterarbeiten und ging zu dem Land
Cruiser hinaus. Am Steuer sitzend schaltete ich die Innenbeleuchtung ein, weil ich mir die Stablampe für später aufheben wollte, und breitete die
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