Nick Stone - 04 - Eingekreist
einer hohlen Hand in die andere gleiten ließ. Zu Sundance und seinem Kumpel,
Laufschuhe, gesellte sich jetzt der dritte Kerl in Jeans, der meine Reisetasche über der rechten Schulter hatte.
Ich hob meinen Blick nicht über Wadenhöhe, weil ich ihn nicht provozieren wollte. Die Uniformierten um
Hilfe zu bitten, wäre zwecklos gewesen. Sie hatten das alles schon oft gehört: Betrunkene, die behaupteten, Jesus zu sein, und Leute wie ich, die laut jammerten, sie seien gelinkt worden.
Sundance sprach jetzt zum ersten Mal. »Gut gemacht, Sarge.« Seine mit starkem Glasgower Akzent
ausgesprochene Anerkennung galt jemandem hinter
mir, bevor er sich mit den beiden anderen abwandte und davonging. Ich sah ihnen nach, als sie in Richtung
Treppe marschierten, und hörte das Ratschen von
Klettverschlüsseln, als sie anfingen, ihre Kevlarwesten auszuziehen.
Als sie durch die Tür zum Treppenhaus
verschwanden, wurde ich von zwei Polizeibeamten
hochgehievt. Mit ihren starken Fäusten unter meinen Achseln folgte ich ihnen in Richtung Treppe. Wir
kamen an den Schutzschilden vorbei, die mir den Weg zum Notausgang versperrt hatten, und stiegen die
Treppe hinunter. Sundance und seine Jungs waren schon zwei Stockwerke tiefer. Ich sah sie mehrere Male am 61
Eisengeländer der Treppenabsätze auftauchen und
fragte mich, warum sie nicht dafür gesorgt hatten, dass mir die Augen verbunden wurden. Vielleicht wollten sie nur sicherstellen, dass ich nicht auf der Treppe stolperte.
Nein, der Grund dafür war, dass es ihnen egal war, ob ich ihre Gesichter sah. Ich würde nicht lange genug leben, um sie wiederzusehen.
Wir verließen das Gebäude durch die Glastüren mit
Metallrahmen, durch die ich es zuvor betreten hatte.
Das Getrampel von Stiefeln auf der Steintreppe und das angestrengte Keuchen der Polizeibeamten, die mich
hinuntergeschafft hatten, gingen sofort in dem
lärmenden Durcheinander auf der Straße unter.
Verschwitzte Polizisten in weißen Hemden liefen mit eingeschalteten Handfunkgeräten herum und brüllten
Passanten an, ihre Anordnungen zu befolgen und
weiterzugehen. Sirenen heulten durchdringend. In
niedriger Höhe über uns schwebte ein laut knatternder Hubschrauber.
Wir befanden uns auf der Zufahrt zum Marriott-
Hotel, das einen Teil der County Hall einnahm. Links neben mir lag die von einer dekorativen niedrigen Hecke eingefasste bogenförmige Hotelausfahrt. Polizeibeamte verhinderten, dass neugierig gaffende Hotelgäste das Marriott durch den Haupteingang verließen.
Vor mir am Randstein stand ein weißer Mercedes-
Kombi mit laufendem Motor und weit geöffneten Türen.
Einer der Kerle in Jeans saß abfahrtbereit am Steuer. Als eine Hand meinen Kopf nach unten drückte, während
eine andere mich grob auf den Rücksitz stieß, trafen 62
meine Stiefel im Fußraum auf ein Hindernis. Es war
meine Reisetasche, deren Reißverschluss noch immer
offen war.
Der Kerl mit den Laufschuhen saß links neben mir
und fädelte eine Hälfte eines Paars Handschellen durch den D-Ring des mittleren Sicherheitsgurts. Die andere Hälfte ließ er um die Metallstange zwischen meinen
Handschellen zuschnappen. Damit war klar, dass ich
nicht aussteigen würde, bevor diese Leute es wollten.
Sundance erschien auf dem Gehsteig und
verabschiedete sich von den Uniformierten. »Noch mal vielen Dank, Jungs.«
Ich versuchte weiter, Blickkontakt zu den beiden
Polizeibeamten herzustellen, die mich nach unten
geschleppt hatten und nun am Eingang des
Bürogebäudes standen. Sundance, der jetzt vorn einstieg und die Beifahrertür schloss, hatte das offenbar
beobachtet. Er bückte sich nach etwas vor seinen Füßen.
»Das nützt Ihnen nichts, Freundchen.« Er brachte ein Blaulicht mit Magnethaftfuß zum Vorschein, setzte es aufs Dach und steckte das Kabel in den
Zigarettenanzünder. Das Blaulicht begann zu blinken, als der Wagen anfuhr.
Wir verließen die Hotelzufahrt und fuhren auf die
Hauptverkehrsstraße südlich der Brücke und direkt
gegenüber den Krankenhausgebäuden. Die Straße war
abgesperrt und mit sämtlichen Polizeifahrzeugen von Greater London zugeparkt. An den Fenstern der
Krankenhausgebäude drängten sich Patienten und
Pflegepersonal, die das Spektakel wie von
63
Tribünenplätzen aus verfolgten.
Wir schlängelten uns durch die Hindernisse auf der
Fahrbahn und den Polizeikordon. Hundert Meter nach
dem großen Verkehrskreisel fuhren wir unter den
Eurostar-Gleisen hindurch. Ich sah die
Weitere Kostenlose Bücher