Nick Stone - 04 - Eingekreist
rasiert war, blieb ich noch einige Minuten in der Kabine und trocknete mich mit meiner abgelegten Kleidung ab. Ich zog meine neuen Jeans und das Sweatshirt an; die einzigen alten Sachen, die ich anbehielt, waren meine Timberlands, die Bomberjacke und mein Gürtel.
Ich ließ alles andere in der Kabine liegen – das
konnten sie als mein Abschiedsgeschenk behalten – und ging den Flur entlang zurück. Durch seine offene Tür war zu sehen, dass Wie-heißt-er-gleich-wieder seine Hasstirade gegen Gott beendet hatte und auf seinem
pissefleckigen Bett zusammengebrochen war. Ich kam
an der geschlossenen Tür meines alten zellenähnlichen Zimmers vorbei. Obwohl ich erst letzten Samstag
ausgezogen war, wohnte in dem Zimmer schon ein
Neuer. Ich konnte hören, dass hinter der Tür ein Radio lief. Auch er hatte seine Milchtüte wahrscheinlich
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draußen auf dem schmalen Fensterbrett stehen. Das
hatten wir alle – nun, zumindest alle, die einen
Wasserkocher besaßen und sich Tee zubereiten konnten.
Ich stieg langsam die Treppe hinunter, fuhr mir mit den Fingern durchs feuchte Haar und gewann
allmählich meine Fassung zurück.
Unten im Empfangsbereich nahm ich den Hörer des
Wandtelefons ab, warf sechseinhalb Pfund in kleinen Münzen ein, begann Josh’ Nummer zu wählen und
suchte verzweifelt nach einer Ausrede für meinen frühen Anruf. An der Ostküste der USA war es fünf Stunden
früher.
Der typische Wählton erklang nur zweimal, dann
hörte ich ein verschlafenes amerikanisches Grunzen.
»Yeah?«
»Josh, ich bin’s, Nick.« Ich konnte nur hoffen, dass er nicht merkte, wie meine Stimme zitterte.
»Was willst du, Nick? Es ist kurz nach sechs.«
Ich hielt mir das andere Ohr zu, um den Krach
abzuschirmen, den ein junger Kerl machte, der sich von einem alten Säufer die Treppe hinaufhelfen ließ,
während er mit von Drogen glasigen Augen
herumstolperte. Ich kannte die beiden von früher: Der Alte war sein Vater, der ebenfalls hier im Haus wohnte.
»Ich weiß, tut mir Leid, Kumpel. Ich schaff’s
frühestens kommenden Dienstag und wollte …«
Ein genervtes Seufzen. Er hatte schon allzu oft von mir gehört, dass ich irgendeinen Termin nicht einhalten konnte. Aber er wusste nichts über meine Situation; er wusste nicht, was ich in den letzten paar Monaten
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getrieben hatte. Er hatte von mir nur das Geld gesehen, das ich geschickt hatte.
»Hör zu, ich weiß, Kumpel, tut mir echt Leid, aber ich schaff’s wirklich nicht.«
»Wann bringst du endlich Ordnung in dein Leben?«,
blaffte die Stimme aus der Hörmuschel. »Wir hatten
diesen Dienstag vereinbart – das ist morgen, Mann. Sie freut sich schon die ganze Zeit darauf. Sie liebt dich, Mann, sie liebt dich sehr – kapierst du das nicht? Du kannst nicht einfach hier reinschneien und …«
Ich wusste, was er sagen wollte, und unterbrach ihn fast bettelnd: »Ich weiß, ich weiß, tut mir Leid …« Mir war klar, wohin dieses Gespräch steuerte, und ich
wusste auch, dass Josh dieses Ende provozierte. »Bitte, Josh – kann ich mit ihr reden?«
Er verlor ausnahmsweise die Nerven und brüllte ins
Telefon: »Nein!«
»Ich …«
Zu spät; er hatte aufgelegt.
Ich sackte auf einem Plastikstuhl zusammen und
starrte das Schwarze Brett mit der Hausordnung an, die den Heimbewohnern vorschrieb, was sie zu tun und zu lassen hatten.
»Alles in Ordnung, Darling?«
Ich sah zu Maureen auf der anderen Seite der
Empfangstheke hinüber. Sie winkte mich zu sich heran, sprach wie eine ältere Schwester mit mir. »Du siehst aus, als hättest du die Nase voll. Komm, dann können wir darüber reden, komm schon, Darling.«
Ich war in Gedanken anderswo, als ich auf das halb
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zugemauerte Fenster der ehemaligen Pförtnerloge
zutrat, in der ihr Schreibtisch stand. Die Öffnung befand sich in Kopfhöhe. Wäre sie größer und niedriger
gewesen, hätte sie Maureen keinen Schutz vor den
Bekifften und Betrunkenen geboten, die Probleme mit der Hausordnung hatten.
»War’s schlimm, bei deinem kleinen Mädchen
anzurufen?«
»Was?«
»Du redest nicht viel, aber ich bekomme von hier aus alles Mögliche mit, weißt du. Ich hab gehört, dass du telefonierst, und gesehen, wie du am Ende deprimierter warst als am Anfang. Ich bin hier nicht nur der
Türöffner, weißt du!« Sie lachte schallend, und ich rang mir als Anerkennung für ihren Versuch, mich
aufzuheitern, ein Lächeln ab. »War’s schlimm,
Darling?«
»Nein, ganz in Ordnung.«
»Das ist gut. Das
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