Nick Stone - 04 - Eingekreist
PIN-Nummer und
ein Ticket für den Flug Miami-Panama morgen Abend
um 19.05 Uhr. Wie ich bis dahin nach Miami kommen
sollte, machte mir keine Sorgen – ich würde es bald genug erfahren.
Ich blätterte meine Sichtvermerke durch, damit ich
wusste, dass ich im Juli zwei Wochen Urlaub in
Marokko gemacht hatte. Die Ein- und Ausreisestempel hatten alle einen gewissen Zusammenhang mit der
Wahrheit – ich war dort gewesen, nur nicht dieses Jahr.
Aber so konnte ich wenigstens eine Routinebefragung durch Beamte der Zoll- und Einwanderungsbehörde
überstehen. Ansonsten lautete meine Legende wie
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immer: Ich war nach einem langweiligen Dasein als
Versicherungsvertreter auf Reisen; ich kannte schon fast ganz Europa und wollte nun den Rest der Welt sehen.
Nur mein Deckname gefiel mir überhaupt nicht. Hoff
– wozu Hoff? Das klang nicht richtig. Nick Hoff, Nick Hoff. Der Name fing nicht mal mit demselben
Buchstaben wie mein richtiger Nachname an, sodass es schwierig war, nicht verwirrt und zögerlich zu wirken, wenn man irgendwo unterschreiben sollte. Hoff klang unnatürlich; hieß jemand Hoff, würde er seinen Sohn nicht Nicholas nennen, außer er wollte ihn zum Gespött seiner Schulkameraden machen.
Sundance verlangte keine Unterschrift, und das
machte mir Sorgen. Ich war sauer, wenn ich mit
überflüssigem Papierkram belästigt wurde, aber erst recht sauer, wenn aus ungeklärten Gründen darauf
verzichtet wurde.
»Was ist mit meiner DA?«, fragte ich. »Kann ich sie anrufen?«
Sundance machte sich nicht die Mühe, sich nach mir
umzusehen, während wir im Verkehrsfluss
mitschwommen. »Schon passiert.« Er griff in eine
Tasche seiner Jeans und holte einen Fetzen Papier
heraus. »Der neue Minikreisel ist endlich fertig, aber nun warten alle auf die Entscheidung wegen der
Umgehungsstraße. Die soll irgendwann nächsten Monat fallen.«
Ich nickte; das war eine Aktualisierung lokaler
Nachrichten aus dem Umfeld meiner Deckadresse.
James und Rosemary liebten mich wie einen Sohn, seit 120
ich vor Jahren einmal längere Zeit bei ihnen gewohnt hatte – so lautete jedenfalls meine Legende. Ich hatte bei ihnen sogar noch ein Zimmer und ein paar Sachen im
Kleiderschrank.
Diese beiden waren die Leute, die meine Legende
notfalls bestätigten und selbst in ihr auftreten würden.
Sie würden niemals zu meinen Gunsten aktiv werden,
aber meine Aussage jederzeit bestätigen. »Dort wohne ich«, konnte ich jedem erklären, der mich verhörte.
»Rufen Sie sie an, fragen Sie sie selbst.«
Ich besuchte James und Rosemary bei jeder sich
bietenden Gelegenheit, damit meine Legende im Lauf
der Zeit immer glaubwürdiger wurde. Sie wussten
nichts über meine Einsätze und wollten auch nichts
davon wissen; wir redeten nur darüber, was im Dorfclub vor sich ging, und sprachen ein bisschen über lokale und persönliche Neuigkeiten. Ich musste in dieser Beziehung auf dem Laufenden sein, denn ich wäre es gewesen,
wenn ich ständig dort gelebt hätte. Ich hatte mich vor dem Unternehmen mit den Scharfschützen nicht mit den beiden in Verbindung gesetzt, weil die Firma dann
erfahren hätte, unter welchem Namen und wohin ich
reiste. Wie sich jetzt zeigte, war diese
Vorsichtsmaßnahme berechtigt gewesen.
Sundance begann mir zu erzählen, wie ich rechtzeitig nach Miami kommen würde, um mein Flugzeug nach
Panama zu erreichen. Der Jasager hatte alle Register gezogen. Binnen vier Stunden würde ich in einem
Schlafsack auf Paletten mit Nachschub liegen, mit dem eine Tristar der Royal Air Force beladen war, die in 121
Brize Norton bei Oxford zum Flug nach Fort Campbell, Kentucky, starten würde, wo ein britisches
Infanteriebataillon mit der 101st Airborne Division
»Screaming Eagles« übte. Sie hatte ihre Fallschirme schon vor Jahren abgegeben und flog jetzt mit fast so vielen Hubschraubern herum, wie alle europäischen
Armeen gemeinsam besaßen. Um diese Tageszeit gab es keine Linienflüge mehr, die mich bis morgen früh nach Miami bringen konnten; dies war die einzige
Möglichkeit. Ich würde bei einer Zwischenlandung in Florida auf einem Stützpunkt des Marinekorps abgesetzt werden und dort ein Besuchervisum in den Pass
gestempelt bekommen. Anschließend blieben mir drei
Stunden Zeit, um zum Flughafen Miami zu fahren und
die Maschine nach Panama zu erreichen.
Sundance knurrte, während er zwei Frauen angaffte,
die an einer Bushaltestelle warteten. »Nach Ihrer
Ankunft in Panama werden Sie von zwei
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