Nick Stone - 04 - Eingekreist
erkennen, ob sie lächelte oder verlegen oder sonst was war.
»Morgen.«
Ich nickte als Antwort, während ich dem
verschwindenden Pickup nachsah.
»Aaron will nach Chepo. Dort wird seit Monaten ein
Jaguar in einem Käfig gefangen gehalten. Ich bringe Ihnen ein Handtuch und etwas zum Anziehen. Geht’s
wieder besser?«
»Ja, danke. Ich glaube nicht, dass ich nach Chepo
muss. Das Fieber ist abgeklungen, denke ich.«
»Ich mache gerade Frühstück. Wollen Sie mitessen?«
»Danke, aber ich möchte lieber erst duschen, okay?«
Sie ging zurück zur Veranda. »Klar.«
296
Die festgestampfte Erde hinter dem Anbau war mit
Wellblech überdacht. Dies war offensichtlich der
Waschplatz. Vor mir hatte ich die Duschkabine, die auf drei Seiten aus Wellblech bestand und vorn durch einen Plastikvorhang abgeschlossen war. Ein schwarzer
Gummischlauch schlängelte sich vom Dach des Anbaus
herunter. Neben der Dusche stand auf einem Gestell aus Winkeleisen eine Küchenspüle aus Edelstahl, deren zwei Becken von zwei weiteren Schläuchen gespeist wurden.
Ihre Abflussrohre verschwanden senkrecht im
Erdboden. Etwas weiter hinten stand eine weitere
Wellblechkabine mit dem WC.
Auf dem Brett über den Küchenspüle sah ich drei
Zahnbürsten, jede in einem Glas, Zahncremetuben,
Haarbürsten und eine Riesenpackung Waschpulver.
Unter dem Wellblechdach war eine jetzt leere
Wäscheleine gespannt, an der hölzerne
Wäscheklammern darauf warteten, frische Wäsche
festzuhalten. In einer Ecke standen mehrere der weißen Kunststoffbehälter, die auch als Pflanzkübel dienten; in einem davon war Wäsche eingeweicht.
Das Gelände hinter dem Haus fiel leicht ab, sodass ich die ungefähr dreihundert Meter entfernten Baumwipfel in Augenhöhe hatte. Über den Bäumen segelten
Raubvögel, und ein paar weiße Wolken standen wie
Wattebäusche am knallblauen Himmel.
Ich zog den Plastikvorhang auf, schälte mich aus
meinen Sachen, die ich auf den festgestampften Boden warf, und ließ den Verband vorläufig noch an meinem Bein. Dann trat ich in die Duschkabine mit der rauen 297
Betonwanne mit einem Abflussloch in der Mitte und
einem Regalbrett, auf dem ich eine Flasche Shampoo, ein abgegriffenes Stück Seife, an dem Haare klebten, und einen blauen Einmalrasierer sah – nicht Aarons, das stand fest. Von den Wellblechwänden tropfte noch
Seifenschaum.
Ich verrenkte mir den Hals, um mein entzündetes
Kreuz zu begutachten, das jetzt unglaublich
druckempfindlich war. Der angeschwollene gerötete
Fleck war ungefähr handtellergroß. Anscheinend hatte sich eine ganze Milbenfamilie auf mich gestürzt, als ich am Waldrand im Laub gelegen hatte. Die winzigen
Milben mussten sich in meine Haut gebohrt haben,
während ich dalag und Charlies Haus beobachtete, und ich konnte nichts anderes tun, als ein paar Tage lang ihr Wirt zu sein, bis sie mich satt bekamen und abstarben.
Ich kratzte mich vorsichtig am Rand der entzündeten Stelle; ich wusste, dass ich das eigentlich nicht tun durfte, aber ich konnte mich einfach nicht beherrschen.
Die Prellungen auf meiner linken Brustseite hatten
sich seit Sonntagnachmittag hübsch verfärbt, und meine Rippen brannten sogar, als ich mich jetzt streckte, um den Wasserhahn am Duschkopf aufzudrehen.
Ich weichte den Druckverband mit lauwarmem
Wasser ein, um das verklebte Zeug zu lösen, bevor ich mir den Schlauch über den Kopf hielt und meine sechzig Sekunden abzählte.
Ich drehte die Dusche ab, seifte mich mit der
Blütenduftseife ein und shampoonierte mein Haar.
Danach beugte ich mich nach unten, löste den Verband 298
und versuchte, ihn vorsichtig abzuziehen.
Dabei wurde mir schwarz vor den Augen. Ich fühlte
mich wieder schwindlig. Was zum Teufel war mit mir
los? Ich setzte mich auf den rauen Betonboden und
lehnte meinen Rücken an das kühle Wellblech. Bisher hatte ich mir eingeredet, der ganze Scheiß komme nur daher, dass ich völlig geschlaucht war. Aber das war ich in meinem Leben schon oft gewesen. Nein, diese Sache spielte sich in meinem Kopf ab. Ich war so damit
beschäftigt gewesen, mich selbst zu bemitleiden, dass ich noch nicht einmal ernsthaft darüber nachgedacht hatte, wie ich meinen Auftrag durchführen würde. Und ich
hatte einen kostbaren Vorbereitungstag verloren. Ich hätte schon im Einsatz sein können.
Ich rief mich selbst zur Ordnung: Reiß dich zusammen
… Der Auftrag, dein Auftrag, nur der Auftrag zählt, du musst dich auf deinen Auftrag konzentrieren, alles
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