Nick Stone - 04 - Eingekreist
er für die Lieferung dieses Steuersystems zuständig.«
Er verpasste mir mit seiner polierten Schuhkappe einen Tritt gegen den Oberschenkel. Daraus sprach reiner Frust. Bestimmt hatte er fester zutreten wollen, aber das schaffte er einfach nicht. »Machen Sie sich sauber — Sie sehen übel aus. Diese beiden Gentlemen holen Sie um fünfzehn Uhr in Ihrer Wohnung ab.«
Sundance grinste wie ein Dorftrottel, als ich mich aufrappelte, wogegen meine Bauchmuskeln schmerzhaft protestierten.
»Ich brauche Geld.« Ich sah an der Wand lehnend wie ein ausgeschimpfter Schuljunge zu Boden — und fühlte mich genau wie einer.
Der Jasager seufzte ungeduldig und nickte Sundance zu. Der Kerl zog seine Geldbörse aus der hinteren Jeanstasche und zählte fünfundachtzig Pfund in Scheinen ab.
»Die will ich von Ihnen wieder, Freundchen.«
Ich nahm das Geld einfach, ohne die sechshundert Dollar zu erwähnen, die sie aus meiner Tasche »befreit« und schon unter sich aufgeteilt hatten.
Ich stopfte die Scheine in die Tasche und setzte mich in Richtung Tür in Bewegung, ohne einen der beiden anzusehen. Laufschuhe sah mich kommen und öffnete das Garagentor, aber zuvor musste der Jasager noch das letzte Wort haben: »Sehen Sie zu, dass Sie den ausbezahlten Vorschuss gut nutzen, Stone. Mehr Geld gibt’s nicht. Sie können sogar von Glück sagen, dass Sie behalten dürfen, was Sie schon haben. Schließlich wird Kelly ab und zu neue Schuhe brauchen, und in den Staaten dürfte ihre Therapie erheblich mehr kosten als hier in The Moorings.«
Eine Viertelstunde später stand ich in einer U-Bahn, die von Kennington aus nach Norden in Richtung Camden Town fuhr. Der heruntergekommene alte Zug war mit Pendlern überfüllt, die fast alle nach Seife, Zahncreme und Designerdüften rochen. Ich war die
Ausnahme, was Pech für die Leute war, zwischen denen ich eingezwängt stand: ein hünenhafter Schwarzer, der mir seinen Rücken in einem frisch gebügelten weißen Hemd zugekehrt hatte, und eine junge Weiße, die nicht vom Boden aufzusehen wagte, weil sie fürchtete, unsere Blicke könnten sich begegnen und bei diesem Verrückten, der nach Kotze und selbst gedrehten Zigaretten stank, einen Wutanfall auslösen.
Die Morgenzeitungen brachten auf ihren Titelseiten dramatische Farbfotos von der Erstürmung der Feuerstellungen der Scharfschützen, und kündigten weitere Bildreportagen im Inneren an. Ich hielt mich einfach an der Haltestange fest, starrte die Dot-com- Urlaubsangebote an, ohne sie wirklich lesen zu wollen, und ließ meinen Kopf kraftlos von einer Seite zur anderen schwanken, während wir nach Norden rumpelten. Ich war benommen, versuchte zu begreifen, was passiert war, und schaffte es nicht.
Was konnte ich tun, um Kelly zu schützen? Nach Maryland fliegen, sie dort rausholen und mit ihr in die Wälder flüchten? Sie Josh wieder wegzunehmen, war reine Phantasie: Das hätte sie noch mehr durcheinander gebracht, als sie bereits war. Außerdem hätte das auf Dauer nichts genützt; wollte die Firma sie liquidieren, würde sie Kelly irgendwann beseitigen lassen. Musste ich nicht Josh warnen? Unnötig, denn die Firma würde nur aktiv werden, wenn ich versagte. Warum sollte ich ihn außerdem noch mehr aufregen, als ich’s bereits getan hatte?
Ich ließ den Kopf hängen und starrte meine Füße an, als wir einen U-Bahnhof erreichten, auf dem die Leute schrecklich drängelten, um gleichzeitig ein- und auszusteigen. Ich wurde geschubst und angerempelt und stöhnte unwillkürlich vor Schmerzen.
Während sich der Zug wieder füllte, forderte uns eine missmutige Stimme auf, gefälligst ins Wageninnere weiterzugehen, und danach schlossen die Türen sich wieder.
Ich wusste nicht, ob der Jasager bluffte. Und selbst wenn ich den Auftrag offenbarte, würde das Sundance und Laufschuhe nicht daran hindern, ihre kleine Reise nach Maryland zu machen. Es gab genügend serbische Familien, die jetzt ein oder zwei Kinder weniger hatten, weil Daddy sich im Balkankrieg den Forderungen der Firma widersetzt hatte, und ich wusste, dass diese Methode weiterhin in Gebrauch war.
Obwohl ich mir größte Mühe gab, konnte ich nicht aufhören, mir Kelly schlafend vorzustellen — mit ihrem Haar übers Kopfkissen ausgebreitet, während sie davon träumte, ein Popstar zu sein. Der Jasager hatte Recht: So sahen sie wundervoll und verwundbar zugleich aus. Das Blut drohte mir in den Adern zu gefrieren, als mir klar wurde, dass das Ende dieses Jobs keineswegs das Ende der
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