Nick Stone - 04 - Eingekreist
prangte. Hier im Bankenviertel schien eine strenge Kleiderordnung zu gelten: Die Männer auf den
Gehsteigen trugen elegante Hosen, frisch gebügelte Hemden mit Ärmelfalten bis zum Kragen und Krawatten; die Frauen hatten geschäftsmäßige Blusen und Röcke an.
Aaron machte eine weit ausholende Handbewegung, während er einem Bierlaster auswich, der genau dort sein wollte, wo wir waren. »Panama versucht, ein neues Singapur zu werden«, sagte er und nahm den Blick von der Fahrbahn, was mir leichte Sorgen machte. »Sie wissen schon, Offshore-Bankgeschäfte und dergleichen.«
Ich lächelte, während wir an eleganten Bars, japanischen Restaurants, Läden für Designerklamotten und einem Porsche-Ausstellungsraum vorbeikamen. »Ich habe gelesen, dass das Bankgeschäft bereits ziemlich dynamisch ist.«
Er wich einem mit schwankenden Gummibäumen beladenen Pickup aus, der uns anhupte. »Das kann man allerdings sagen — hier wird viel Drogengeld gewaschen. Angeblich bringt der Drogenhandel über neunzig Milliarden Dollar im Jahr, was ungefähr zwanzig Milliarden Dollar mehr sind als die kumulierten Jahresgewinne von Microsoft, Kellogg’s und McDonald’s.«
Er bremste scharf, als ein Motorroller vor uns einscherte. Ich streckte meine Arme aus, um nicht nach vorn geworfen zu werden, und fühlte den heißen Kunststoff des Instrumentenbretts, während die Rollerfahrerin, die ein kleines Kind auf dem Soziussitz hatte, mit dem Tod spielte. Die beiden waren nur durch altmodische Sturzhelme und Schutzbrillen geschützt, als sie sich zwischen uns und einen schwarzen Mercedes quetschte, um rechts abbiegen zu können. Offenbar ein alltägliches Ereignis, denn Aaron redete einfach weiter. »Ein großer Teil der Drogengelder wird hier gewaschen. Manche dieser Banken, hey, die sagen einfach: >Nur her damit!< Echte Verbrecher tragen heute Nadelstreifen, stimmt’s?« Er lächelte bedauernd. »Die Drogenhändler bilden jetzt die einflussreichste Lobby der Welt. Haben Sie das gewusst?«
Ich schüttelte den Kopf. Nein, das war mir neu. Als ich im Dschungel gegen sie gekämpft hatte, hatte ich das nicht wissen müssen. Ich wusste auch nicht, ob ich diesen Mazda lebend verlassen würde. Falls es in Panama City überhaupt Fahrlehrer gab, nagten sie bestimmt am Hungertuch.
Der Verkehr wurde langsamer, dann kam er völlig zum Stehen, aber das Gehupe ging weiter. Am Eingang eines Kaufhauses standen Polizeibeamte, die zu ihren grünen Uniformen hohe Stiefel und schwarze Panzerwesten trugen. Mit ihren verspiegelten Sonnenbrillen unter Baseballmützen sahen sie wie israelische Soldaten und deshalb umso bedrohlicher aus. Sie hatten HK-MP5-Maschinenpistolen um den Hals hängen und trugen Revolver in tief hängenden Beinhalftern. Der Schutzlack der 9-mm-MPs war so
abgewetzt, dass das blanke Metall sichtbar war.
Der Stau löste sich langsam auf, und wir konnten weiterfahren. Die Gesichter hinter der Heckscheibe des Busses vor uns konnten meine Jackie-O-Sonnebrille bewundern, und einige von ihnen grinsten über den Idioten in dem Mazda. »Immerhin habe ich heute ein paar Leute aufgeheitert.«
»Vor allem weil Sie ein rabiblanco sind«, erklärte Aaron mir. »So nennen sie die herrschende Elite — weiße Esel.«
Der Boulevard verließ Klein-Manhattan, erreichte die Küste und folgte dem Bogen, den der Strand beschrieb, einige Kilometer weit. Links von uns lag die Marina hinter einem Wellenbrecher aus riesigen Felsblöcken. Motorjachten, die Millionen Dollar gekostet haben mussten, lagen zwischen Segeljachten für Millionen Dollar, alle von uniformierten Besatzungen liebevoll gehegt und gepflegt. Draußen in der Bucht ankerte eine Flottille alter hölzerner Fischerboote um das Wrack eines gesunkenen Frachters, von dem nur noch der Bug und zwei verrostete Masten aus dem leicht bewegten Pazifik ragten. Weiter draußen, ungefähr drei bis vier Kilometer vom Strand entfernt, lagen etwa zehn große Containerschiffe wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht vor Anker. Aaron folgte meinem Blick. »Sie warten darauf, in den Kanal einlaufen zu dürfen.«
Wir machten einen Schlenker, um einem klapprigen alten Nissan auszuweichen, der plötzlich die Fahrspur wechselte, ohne seine Absicht angekündigt zu haben. Ich trat instinktiv mit dem rechten Fuß ein imaginäres
Bremspedal durch. Vor uns bremsten viele Autos scharf, und wir folgten diesem Beispiel, wobei wir leicht ins Schleudern gerieten, aber dann doch nicht auf den Nissan auffuhren. Nicht alle
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