Nick Stone - 04 - Eingekreist
hoffentlich ehrfürchtig genug —, während ich sah, wo wir unsere Cola bekommen würden. Der Auflieger eines Sattelschleppers hatte mitten auf dem
Parkplatz Wurzeln geschlagen und sich in ein Café mit Souvenirshop verwandelt. Weiße Plastikgartenstühle standen um weiße Kunststofftische, über denen bunte Sonnenschirme aufgespannt waren. Mit den zum Verkauf ausgehängten T-Shirts mit Kanalmotiven hätte man eine Armee einkleiden können. Wir fanden einen Parkplatz und stiegen aus. Es war schwülheiß, aber nun konnte ich mir wenigstens mein an der Haut klebendes Sweatshirt vom Rücken ziehen.
Aaron hielt aufs Seitenfenster des Trailers zu, um sich mit Touristen und zwei Musikern in roten Jacken anzustellen. Die Rotfräcke hatten ihre Instrumente unter den Arm geklemmt und warfen lüsterne Blicke auf eine Gruppe athletisch aussehender Girls in Latexanzügen, die eben ihre Getränke bezahlten. »Ich hole uns ein paar kalte Dosen.«
Ich stand unter einem der Sonnenschirme und beobachtete, wie der Frachter sich langsam in die Schleuse schob. Dabei nahm ich meine Jackie-O-Specials ab, um die Gläser zu putzen. Doch das bereute ich sofort, als das grelle Sonnenlicht mich blendete.
Die Sonne brannte gnadenlos herab, aber die Schleusenarbeiter, die saubere Overalls und Schutzhelme trugen, schienen dagegen immun zu sein, während sie ihrer Arbeit nachgingen. Das Einschleusen lief in einer Atmosphäre flotter Geschäftsmäßigkeit ab, während eine Lautsprecherstimme auf Spanisch knappe Anweisungen gab, die in dem Tohuwabohu um die Busse und die Baustelle gerade noch zu hören waren. Rechts neben der Tribüne beim Besucherzentrum, die bereits mit Girlanden geschmückt war, wurde auf dem Rasen noch eine provisorische Holztribüne mit vier Etagen errichtet. Am Samstag würde hier die Hölle los sein.
Der Frachter war nun fast ganz in der Schleusenkammer, deren Wände kaum einen Meter Abstand von den Schiffsseiten hatten. Touristen, die das Einschleusen von der Besuchertribüne aus beobachteten, knipsten eifrig mit ihren Nikons, während die Musikkapelle sich auf dem Rasen sammelte. Einige der Girls übten noch rasch einen Spagat, ihr professionelles Lächeln und ein Busen- und Hüftwackeln, bevor sie sich aufstellten.
Der einzige Mensch, der nicht die Mädchen anzustarren schien, war ein Weißer in einem leuchtend rosa geblümten Hawaiihemd. Er lehnte an einem großen dunkelblauen GMC Suburban, beobachtete das Containerschiff und rauchte dabei mit hastigen, tiefen Zügen. Mit seiner freien Hand wedelte der Kerl mit dem unteren Hemdrand, um sich etwas Kühlung zu verschaffen. Sein Bauch war mit einer Brandnarbe von der Größe einer Pizza bedeckt, die wie geschmolzener Kunststoff aussah. Scheiße, das musste schmerzhaft gewesen sein. Ich war froh, dass meine Bauchschmerzen nur von Sundance’ Caterpillars stammten.
Mit Ausnahme der Windschutzscheibe waren alle Scheiben innen mit schwarzer Folie beklebt. Eine fehlerhafte Stelle an der Scheibe der rechten hinteren Tür ließ erkennen, dass hier ein Heimwerker gearbeitet hatte. Wo die Folie auf einer Länge von acht bis zehn
Zentimetern eingerissen war, leuchtete ein schmales helles Dreieck.
Als sei dem Kerl eben eingefallen, dass er vergessen hatte, seine Haustür abzuschließen, sprang er in den Suburban und fuhr eilig davon. Vielleicht hatte er in Wirklichkeit ein gefälschtes Kennzeichen am Wagen und fürchtete, einer der hier herumlaufenden Polizeibeamten könnte sich dafür interessieren. Das Fahrzeug war sauber gewesen — aber nicht so sauber wie seine Kennzeichen. Ich war immer durch die Waschanlage gefahren, bevor ich die Nummernschilder gewechselt hatte, und anschließend übers Land gebrettert, damit Karosserie und Kennzeichen gleichmäßig schmutzig wurden, bevor ich den Wagen für einen Auftrag einsetzte. Ich konnte mir vorstellen, dass es hier viele Leute mit gefälschten oder gestohlenen Kennzeichen gab.
Eine fragil aussehende Jakobsleiter aus verknoteten Seilen und Holzsprossen wurde von der Schiffsreling herabgelassen, und zwei Männer in makellos weißen Hosen und Hemden kletterten an Bord, als Aaron gerade mit vier Dosen Minute Maid zurückkam. »Sorry, keine Cola — die Getränke sind heute fast ausverkauft.«
Wir saßen im Schatten und beobachteten, wie die Hydraulikstempel langsam die Schleusentore schlossen und das Wasser — hundertzwanzig Millionen Liter, sagte Aaron — in die Schleusenkammer strömte. Das Schiff stieg vor uns in den
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