Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
ich mich in seine Machenschaften verwickeln lassen – und nur deshalb ist mein Mann umgekommen. Ich rede mir ein, George habe Aarons Tod verschuldet, aber weißt du was? In Wirklichkeit mache ich mich selbst dafür
verantwortlich. Ich habe mich von meinem eigenen Vater ausnützen lassen, wie er jeden ausnützt. In Panama wusste er, dass ich verzweifelt versucht habe, Luz einen amerikanischen Pass zu beschaffen, damit ich sie hierher mitnehmen konnte. Aber ich habe von George nie etwas umsonst bekommen. Schon als kleines Mädchen musste ich mir immer erst alles verdienen.«
Ich beobachtete, wie ihr Blick sich aufs Wasser
konzentrierte, während sie in Gedanken woanders war.
»Aaron hat von Anfang an Recht gehabt. Er hat mich gewarnt, dass diese Sache niemals aufhören würde, sobald George wusste, wie verzweifelt ich mich bemühte, Luz einen Pass zu beschaffen. Weil George dafür sorgen würde, dass sie nicht aufhörte. Und weißt du was? Er hatte Recht, denn sie geht tatsächlich weiter. Wie soll ich mich trauen, ein gemeinsames Leben mit dir aufzubauen, bevor ich weiß, dass du nicht mehr das Geringste mit Georges Welt zu schaffen hast? Ich habe den Fehler gemacht, mich auf dich zu verlassen. Mich darauf zu verlassen, dass du da bist, wenn ich morgens aufwache.
Und noch schlimmer ist, dass auch Luz angefangen hat, sich an deine Gegenwart zu gewöhnen. Ich mag nicht riskieren, ihr eines Tages erzählen zu müssen, dass ein weiterer Mann, den sie lieb gewonnen, dem sie vertraut hat, mit einem Genickschuss in irgendeinem
Straßengraben liegt …«
Ich wollte ihr den Arm um die Schultern legen, aber sie versteifte sich und rückte etwas von mir ab.
»Du hättest deine Einbürgerung beantragen können.
Du hättest aufs College gehen, ein Zuhause haben
können, du hättest mich haben können. Bedeutet dir das alles gar nichts?«
»Ich wüsste nichts, was mir lieber wäre. Für mich ist dies das reinste Märchen.« Wie sie das machte, war mir ein Rätsel, aber ihr erzählte ich ständig Dinge, die ich eigentlich strikt für mich behalten wollte. »Vielleicht lautet die ganze Wahrheit, dass ich nicht recht glauben kann, dass es in deiner perfekten Welt einen Platz für mich geben soll. Weißt du noch, was ich dir im
Dschungel erzählt habe? Meine Welt mag wie ein Haufen Scheiße aussehen –«
»– aber du darfst wenigstens manchmal obendrauf
sitzen …«
Ich sah zu ihr hinüber, hoffte wenigstens auf ein schwaches Lächeln, aber ich hatte es nicht einmal andeutungsweise geschafft, ihr ein Lächeln zu entlocken.
»Darum geht’s hier nicht.« Ihre Stimme klang noch immer müde und traurig. »Du hast mich belogen, Nick, das ist der springende Punkt. Nichts hat sich geändert. Du hast verraten, was wir meiner Überzeugung nach
aufzubauen im Begriff waren. O Gott, wenn ich daran denke, was ich dir heute erzählt habe, komme ich mir absolut lächerlich vor!«
Mein Herz raste, während ich neben ihr saß und
verzweifelt nach Worten suchte. »Wir brauchen einfach Zeit, Carrie. Wir brauchen einfach Zeit …«
Sie schüttelte den Kopf. Tränen liefen ihr übers
Gesicht, tropften auf den Daunenmantel und färbten das Nylonmaterial dunkelgrün. »Geh jetzt lieber. Wir müssen beide ernsthaft nachdenken. Ich glaube nicht, dass ich das in diesem Augenblick kann. Ruf mich an, Nick, wenn du bereit bist, zu meinen Bedingungen zu mir
zurückzukommen. Musst du bis dahin derjenige sein, der die Schmutzarbeit meines Vaters erledigt, musst du’s eben sein. Ich werde nie vergessen, was du in Panama für uns getan hast. Ich werde den Mann, der du bist, immer bewundern und den Mann, der du hättest sein können, immer lieben. Aber erwarte bitte nicht, dass Luz und ich kommen und Blumen auf dein Grab legen …«
9
Eine Maschine der American Airways donnerte mit im Halbdunkel blinkenden Positionsleuchten die Startbahn entlang, hob ab und verschwand rasch in den tief
hängenden dunklen Wolken. Ich wandte mich vom
Fenster ab und sah zu George hinüber. Er tippte mit einem Finger auf die Titelseite des Boston Globe , um mir die Fotos von gefallenen Taliban in Afghanistan zu zeigen.
»Ein verwundetes Tier ist am gefährlichsten, Nick. Ich rechne auf jeden Fall mit einem weiteren Anschlag; die Frage ist nur, wo und wann.« Sein Blick war so ernst, dass ich zu erkennen begann, dass er einen Anschlag eher früher als später erwartete. »Wir haben in den letzten Tagen erstklassige Informationen darüber erhalten, dass sie
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