Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
wusste nicht recht, ob das vielleicht nur Schauspielerei war. Er mochte traurig sein, aber er hatte auch einen Auftrag auszuführen. »Aber was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern, Nick. Ich bin hier, weil ich möchte, dass Sie für mich arbeiten. Für uns. Nick Scott wäre Ihr Deckname.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir hatten uns auf nur einen Job geeinigt. Damit waren Sie einverstanden.«
»In den letzten Tagen haben die Ereignisse sich
ernstlich zum Schlechteren entwickelt, Nick.« Seine Stimme war stählern, sein Blick freimütig. »Al-Qaida hat den Einsatz erhöht, diese Kerle suchen offenbar den Kampf. Einzelheiten dürfen Sie erst erfahren, wenn Sie sich zum Mitmachen verpflichtet haben. Aber ich kann Ihnen sagen, dass diese Sache auf der Titelseite der Gefahrenmatrix steht, die dem Präsidenten täglich vorgelegt wird. Wir leben in schlimmen Zeiten, Nick.
Die gestrige Ausgabe war dreißig Seiten stark.« Er blickte auf den Tisch, beschrieb mit seinem Kaffeebecher eine liegende Acht. »Wissen Sie, wie ich mir
gegenwärtig vorkomme? Wie ein blinder Uhrmacher, der einfach Einzelteile ins Gehäuse wirft und abwartet, was davon funktioniert.«
Ich sah nicht auf, weil ich wusste, dass George nur darauf wartete, mich mit seinem Blick festnageln zu können.
»Ich brauche Ihre Hilfe, Nick.« Das war keine Bitte, sondern eine Herausforderung.
»Mir gefällt’s hier mit Carrie.«
»Tatsächlich?« Er runzelte übertrieben stark die Stirn.
»Ich glaube nicht, dass sie die Sache allzu gut
aufgenommen hat. Da ist sie ganz wie ihre Mom.«
Dieses Arschloch! Teile und herrsche. Er hatte mir das absichtlich eingebrockt. Ich zwang mich dazu, Ruhe zu bewahren. »Sie haben ihr nicht alles erzählt, stimmt’s?«
»Ich erzähle nicht einmal Gott alles, mein Junge. Das hebe ich mir für später auf, wenn ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehe. Aber im Augenblick halte ich es für meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Al-Qaida-Kämpfer vor mir am Himmelstor
anstehen.«
Er erhob sich und kehrte mir erneut den Rücken zu, als er das gerahmte Foto aufs Sideboard zurückstellte.
Vielleicht sollte ich nur nicht sehen, wie stolz er darauf war, dass er seinen Text so gut vorgetragen hatte. »Das Geheimnis erfolgreicher Terrorismusbekämpfung ist einfach – man darf sich nicht terrorisieren lassen. Man muss einen klaren Kopf bewahren und diese Leute mit ihren eigenen Waffen schlagen. Nur so können wir
diesen Krieg gewinnen – oder ihn zumindest eindämmen, ihn unter Kontrolle halten. Aber das können wir nur, wenn wir den Kampf mit allen verfügbaren Mitteln in ihre Reihen tragen. Und genau das ist der Punkt, an dem Sie ins Spiel kommen, Nick. Ich brauche sie, um zu verhindern, dass die Kanalisation blockiert wird – und ich brauche Sie sofort. Wollen Sie mehr hören, Nick, oder vergeude ich hier nur meine Zeit?«
Ich starrte ihn prüfend an und trank noch einen
Schluck Kaffee. »Ich möchte wissen, was mit Zeraldas Kopf passiert ist.«
George lächelte schwach. »Er wurde nach Amerika
gebracht und seinem Cousin in Los Angeles auf einem Silbertablett präsentiert. Allen Berichten zufolge soll er ziemlich ausgeflippt sein.«
»Was ist mit dem Fettkloß, der dort bei ihm war? War er der Informant? Sollte deshalb außer Zeralda niemand umgebracht werden?«
»Fettkloß?« Sein Lächeln wurde stärker. »Das gefällt mir. Ja, er war und ist weiterhin eine gute Quelle – zu gut, als dass wir ihn schon verlieren möchten.« Er wurde schlagartig wieder ernst. »Nick, wissen Sie, was Hawalla bedeutet?«
Ich hatte genug Zeit im Nahen Osten verbracht, um diesen Ausdruck zu kennen, und in meiner Jugend in London hatten alle indischen und pakistanischen
Familien dieses System benutzt, um Geld nach Hause zu schicken. »Wie Western Union, aber ohne DSL-Verbindungen, stimmt’s?«
Er nickte. »Okay, wir haben es hier also mit einem jahrhundertealten Zahlungssystem zu tun, das
ursprünglich vor Steuereintreibern und Banditen entlang der alten Seidenstraße schützen sollte und jetzt dazu dient, die Gesetze gegen Geldwäsche zu unterlaufen. Ein Kerl in San Francisco möchte seiner Mutter in – sagen wir mal – Delhi etwas Geld zukommen lassen. Also geht er zu einem dieser Hawalla- Bankiers, der vielleicht ein Ladenbesitzer ist, vielleicht sogar bei irgendeiner Bank arbeitet. Der Hawallada nimmt sein Geld entgegen und nennt dem Auftraggeber ein Kennwort. Dann setzt der Hawallada sich
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