Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
für mich zu Ende gewesen. Dann hätten die beiden anderen allein weitermachen müssen.
Alles war jedoch in bester Ordnung. Ich setzte mich wieder ans Steuer, fuhr auf der Küstenstraße weiter und kam unterwegs durch alle möglichen Orte, die ich aus irgendwelchen Songs kannte.
Das Meer war heute nur leicht bewegt und schimmerte im Sonnenglanz. Alles sah genau so aus, wie man sich Südfrankreich vorstellte, nur dass der Sand zu riesigen
Haufen zusammengeschoben war. Die Franzosen importierten ihn lastwagenweise aus Nordafrika, und dies war offenbar die Zeit des Jahres, in der sie die Strände vor Beginn der neuen Saison einer Generalüberholung unterzogen.
Niemand nahm ein Sonnenbad, aber viele Leute waren auf Rollerblades unterwegs, führten ihre Hunde spazieren oder genossen einfach die Weite der Strände. Kurz vor Nizza begannen die Strände wieder steiniger zu werden. Ich fuhr am Flughafen und dem Einkaufszentrum Cap 3000 vorbei, von dem aus ich morgen erneut Verbindung mit George aufnehmen würde.
Der Flughafen lag unmittelbar am Stadtrand, praktisch am Strand. Ein neues Terminal befand sich im Bau, und riesige bebilderte Werbebanner klärten mich darüber auf, wie wundervoll dieses Projekt für die Zukunft der Region sei.
Ich fuhr auf einer vierspurigen Schnellstraße mit Palmen auf dem Mittelstreifen in Nizza ein. Ein automatisches Bewässerungssystem erzeugte lauter kleine Regenbogen entlang des Mittelstreifens. Die Strecke führte zwischen Hotels aus Glas und Stahl und weiteren Baustellen hindurch. Der Verkehr wurde dichter und dichter, bis er in ein verrücktes Rennen ausartete, dessen Teilnehmer mal bremsten, mal mit quietschenden Reifen durchstarteten, wie Slalomläufer die Fahrspuren wechselten und immer wieder wild hupten.
Ich stellte den englischsprachigen Sender Riviera Radio ein und hörte zu, wie ein Kerl, der Alan Partridge imitierte, von den letzten Takten eines traurigen Songs von Barbra Streisand zu Werbespots von Banken und Bootswerften überwechselte. Wenig später erfuhr ich sogar den Tagespreis eines Barrels der Erdölsorte Brent und wie der Nasdaq-Index stand. Unter den hier lebenden Briten hatte dieser Sender offenbar eine bestimmte Zielgruppe im Visier: die sehr reichen Leute. Trotzdem hörte ich ihn immer, weil er nachmittags eine Presseschau aus den USA brachte und stündlich den BBC World Service ausstrahlte.
Dann erreichte ich die Promenade des Anglais, die Hauptstraße entlang der Küste - eine von Palmen und altmodischen Luxushotels gesäumte Prachtstraße. Sogar die Busse waren tadellos sauber: Sie sahen aus, als habe jemand sie noch rasch poliert, bevor sie nach Nizza hineindurften. Ich fuhr um den Hafen herum, in dem es von Ausflugsbooten und Korsikafähren wimmelte, und begann die ersten Wegweiser nach Beaulieu-sur-Mer zu sehen.
Die Straße schlängelte sich ansteigend weiter, bis sie nur noch durch eine Leitplanke und eine dreißig Meter hohe Steilwand vom Meer getrennt war. Als ich höher hinaufkam, konnte ich landeinwärts Bergketten sehen, die endlos weiterzugehen schienen. Riviera Radio hatte vermutlich Recht, wenn es behauptete, hier könne man morgens am Strand und nachmittags auf der Skipiste sein.
Nizza verschwand hinter mir, während die Straße sich den Klippen folgend weiterschlängelte. Ich kam mir vor, als sähe ich an einem Sonntagnachmittag einen alten Schwarz-Weiß-Film; ich rechnete jeden Augenblick damit, dass mir hinter der nächsten Kurve David Niven in einem Austin Healey entgegenkommen würde.
Nach einer scharfen Linkskurve lag der riesige Tiefwasserhafen Villefranche unter mir. Diese Bucht - der Heimathafen der amerikanischen Sixth Fleet, bis Frankreich seine Streitkräfte aus der NATO abgezogen hatte - war einer der größten natürlichen Häfen der Welt. Amerikanische und britische Kriegsschiffe ankerten dort noch manchmal zu Freundschaftsbesuchen - oder um schwer betäubte Hawalladas außer Landes zu schaffen.
Das in stumpfem Grau gehaltene Kriegsschiff mit der riesigen weißen Nummer am Heck schien die gesamte Bucht zu beherrschen. Es hatte mehr Kuppeln und Antennen als die Enterprise und am Heck einen Hubschrauberlandeplatz, auf dem vermutlich ein Jumbo Platz gehabt hätte.
Die Besatzung würde nicht ahnen, was an Bord vorging. Sie würde nur hören, ein bestimmter Bereich sei gesperrt, weil wichtige Gäste an Bord seien. Nur der Kommandant und einige hohe Offiziere würden wissen, was es mit dem Freundschaftsbesuch tatsächlich auf
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