Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
am Wochenende dort aufgekreuzt waren, um einen Cappuccino zu trinken und für ein paar Fotos zu posieren. Sie hatte noch ihre Reize, aber in dieser Jahreszeit hatten drei Viertel der Läden bis Ostern oder jedenfalls bis Saisonbeginn geschlossen. Restaurants wurden renoviert, Bars wenigstens neu gestrichen.
19
Ich fuhr kreuz und quer durch die verschlafene Stadt. Weihnachtliche Lichterketten überspannten die Straßen, auf denen niemand unterwegs war, um sich an ihnen zu erfreuen. Einige Bars und Cafés hatten noch für ihre wenigen Gäste geöffnet, aber die meisten Hotels schienen geschlossen zu sein. Mehrere Läden hatten weiß gestrichene Schaufenster, die an Mullbinden erinnerten, hinter denen Renovierungsarbeiten im Gang waren.
Während ich auf der Suche nach einer geöffneten Pizzeria eine breite Allee entlangfuhr, musste ich schlucken, als ich zwei Fußgänger auf mich zukommen sah. Sekundenlang fragte ich mich sogar, ob ich
Halluzinationen hatte, aber dieser Kerl in dem langen Ledermantel, der mir rauchend und redend entgegenkam, war unverwechselbar.
Ich senkte instinktiv den Kopf, damit der Mützenschirm mein Gesicht verdeckte. Ich wusste nicht, ob Fettkloß mich gesehen hatte, und wollte es nicht kontrollieren. Eigentlich konnte er mich nicht erkannt haben, weil meine Scheinwerfer ihn geblendet haben mussten.
Ich bog rechts in die nächste Querstraße ab, parkte den Megane und hastete zu der Allee zurück. Als ich nach links blickte, waren die beiden sich entfernenden Männer noch zu sehen. Sie waren die einzigen Passanten weit und breit und zogen eine Wolke aus Zigarettenqualm hinter sich her. Fettkloß’ Begleiter war größer als er, gut über einsachtzig, und hatte eine schulterlange schwarze Mähne. Er trug einen dreiviertellangen braunen Mantel, unter dem Jeans hervorlugten. Von hinten war nicht allzu viel von ihm zu erkennen, aber ich hätte einiges darauf gewettet, dass er der Mann war, den ich in Fettkloß’ Wohnung auf den Polaroidfotos gesehen hatte. Die beiden sprachen ruhig und ernsthaft miteinander, während sie die Straße entlanggingen.
Sie blieben stehen, und Fettkloß wandte sich dem Randstein zu, sodass ich seine Zigarette aufglühen sah. Während er seinem Begleiter zunickte, nahm er einen letzten Zug und warf den Stummel dann in den Rinnstein. Der andere Mann war eindeutig der Lockenkopf von den Polaroidfotos. Er holte etwas aus der Manteltasche und sah sich dabei vorsichtig um. Es musste ziemlich klein sein, denn ich konnte nichts erkennen. Sie gaben sich die Hand und umarmten sich zum Abschied flüchtig, wobei der unbekannte Gegenstand zweifellos den Besitzer wechselte. Vielleicht war dies der Dealer, von dem Fettkloß seinen Stoff bezog. Lockenkopf bog sofort links in die nächste Seitenstraße ab, während Fettkloß einige Meter weiter ging, bevor er in etwas verschwand, das ein Restaurant oder eine Bar zu sein schien. Neben dem Eingang hing ein Schild, das aber nicht beleuchtet war.
Ich überquerte die Straße, um den Laden besser sehen zu können, und warf einen Blick in die Straße, auf der Lockenkopf davongegangen war. Als ich näher herankam, konnte ich erkennen, dass das Schild eine Bauchtänzerin mit Schleier und tief ausgeschnittenem Bikini-Oberteil zeigte. Lockenkopf war spurlos verschwunden, und Fettkloß ließ sich jetzt anscheinend von der »Fiancée du desert« unterhalten.
Von außen sah das Gebäude aus, als sei jemand mit einer Lastwagenladung Verputz Amok gelaufen und habe ihn mit vollen Händen an die Fassade geklatscht, um sie maurisch wirken zu lassen. Auf beiden Seiten des Eingangs schützten reich verzierte schmiedeeiserne Gitter kleine Fenster, hinter denen im Halbdunkel schemenhafte Gestalten zu erkennen waren.
Ich ging wieder über die Straße zurück, hielt dabei den Kopf gesenkt und beobachtete nach links und rechts. Hier kamen nur selten Autos vorbei, aber die nähere Umgebung des Restaurants war völlig zugeparkt. Ich versuchte zu erkennen, was im Inneren vorging, aber durch das kleine quadratische Fenster war nicht viel zu
sehen. Auch Fettkloß sah ich nirgends.
Auf der anderen Seite der massiven Holztür warf ich möglichst beiläufig einen Blick durch das zweite Fenster. Auch diesmal sah ich nur Kerzenschein und weiß gedeckte Tische.
Meine Pizza würde offenbar noch etwas länger warten müssen. Ich ging die Straße entlang weiter, bis ich auf der gegenüberliegenden Seite einen für meine Zwecke geeigneten Hauseingang fand. Drei
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