Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
völlig Recht. Ich konnte ihm nicht das Geringste anhaben. Solche Kerle können mit einem anstellen, was sie wollen. Liefern sie hochwertiges Material, kann ihnen nichts passieren, außer Leute wie George beschließen, sie liquidieren zu lassen. Aber was Quellen oft nicht begreifen, ist die Tatsache, dass sie nur nützlich sind, solange sie Informationen liefern können. Danach interessiert sich niemand mehr für sie. Von Lofti und Hubba-Hubba abgesehen, meine ich; die beiden würden sich auch später sehr für ihn interessieren.
Er betrachtete mich nachdenklich, während er sich eine neue Zigarette anzündete. Rauch quoll ihm aus Mund und Nasenlöchern, als er weitersprach. »Wissen
Sie, was >Slim< bedeutet?«
Ich nickte. Dieses Wort kannte ich aus Afrika.
»Das habe ich - Slim. HIV-positiv, bisher noch kein Vollbild-Aids. Ich pumpe mich mit Antiretroviren voll und versuche, das Unvermeidbare hinauszuzögern, aber es wird kommen, außer ich . Nun, was kümmert mich, was Sie mir antun könnten? Aber ich habe mich oft gefragt, was mit Zeralda war. Ich habe mich gefragt, ob er ebenfalls Slim hatte .« Er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, konnte aber nicht verhindern, dass seine Mundwinkel leicht nach oben gingen. »Wer weiß? Vielleicht hatte er’s, vielleicht nicht. Slim ist eine heimtückische Krankheit. Sie schleicht sich kaum merklich ein.« Er schnippte ärgerlich etwas Zigarettenasche auf den Teller. »Vielleicht sollten auch Sie einen Aids-Test machen lassen. Bei Ihrem Unternehmen ist eine Menge Blut geflossen, nicht wahr?«
Er füllte seine Lunge wieder mit Nikotin, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Diese Sache amüsierte ihn sichtlich.
Ich dachte nicht daran, ihn wissen zu lassen, dass Zeraldas vergossenes Blut mir keine allzu großen Sorgen machte. Ich wusste, dass das Risiko, mich bei ihm angesteckt zu haben, ungefähr so groß war, wie am selben Tag, an dem ich das große Los gezogen hatte, vom Blitz erschlagen zu werden.
Ich starrte ihn meinerseits an. »Warum hatten Sie in Algerien solche Angst, wenn Sie den Tod angeblich nicht fürchten? Und warum haben Sie vorhin Angst gehabt?«
Er begann zu paffen wie Oscar Wilde an einem schlechten Tag. »Wenn ich abtrete, mein Freund, möchte ich - wie sagt ihr Engländer gleich wieder? - mit einem Knall abtreten. Ich will Ihnen etwas erzählen, mein Freund.« Er beugte sich nach vorn und drückte seine zweite Kippe aus. »Ich weiß, dass es für mich keine Hoffnung mehr gibt. Aber ich habe vor, mein Leben auf eine mir genehme Weise zu beenden - und ganz sicher nicht zu einem Zeitpunkt, den Sie bestimmen. Ich will mein Leben in vollen Zügen genießen, bevor die Krankheit wirklich zuschlägt . und dann peng!« Er klatschte laut in die Hände. »Eine Pille, und weg bin ich. Ich will meine gute Figur nicht verlieren, und wie Sie sehen, bin ich noch immer der hübscheste Junge am Strand.«
Ich griff nach der Zeitung, faltete sie um das Blatt Papier, überzeugte mich davon, dass es nicht herausrutschen konnte, und rollte sie wie einen Bauplan zusammen. »Lügen Sie in Bezug auf diese Adressen, bekomme ich grünes Licht, Sie mir vorzuknöpfen, verlassen Sie sich darauf.«
Er schüttelte den Kopf und zog eine weitere Zigarette aus der Packung. »Niemals! Ich bin für Ihre Bosse zu wertvoll. Aber Sie, Sie machen mir Sorgen, Sie sind schon zu lange aus Ihrem Zwinger heraus.« Er deutete mit einem von Nikotin gelben Finger auf mich. »Sie würden’s aus eigenem Antrieb tun. Das habe ich in Algerien gespürt.« Sein Feuerzeug klickte, und ich hörte brennenden Tabak knistern. »Ich weiß, dass Sie mich nicht leiden können, und verstehe das vielleicht sogar.
Aber manche von uns haben unterschiedliche Begierden und unterschiedliche Freuden, und wir suchen doch alle unser Vergnügen, nicht wahr?«
Ich ignorierte seine Frage. Fettkloß stemmte sich hoch, als ich die Wohnungstür öffnete. Ich behielt die Zeitung in der Hand und beeilte mich, hier rauszukommen, damit ich dem überwältigenden Drang widerstehen konnte, ihn an die Wand zu klatschen.
21
Ich warf die Zeitung mit dem eingerollten Blatt Papier in den Fußraum vor dem Beifahrersitz, holte ein Paar Plastikhandschuhe aus dem Handschuhfach und zog sie an. Dann beugte ich mich in den Fußraum, angelte das Blatt heraus und las die Adressen, wobei ich das Papier nur an einer Ecke festhielt.
Die erste lautete: Büro 617, Palais de la Scala, Place du Beaumarchais, Fürstentum
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