Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
her, während sie
telefonierte.
Im Café setzte ich mich so an einen freien Tisch, dass ich den Empfangsbereich im Auge behalten konnte. Bei dem Kellner, der sofort neben mir auftauchte, bestellte ich einen Café crème. Mein Versuch, Französisch zu sprechen, beeindruckte ihn nicht allzu sehr. »Klein oder groß?«, fragte er auf Englisch.
»Groß und dazu zwei Croissants, bitte.«
Er musterte mich mit einem Blick, als hätte ich mich mit dieser Bestellung als Fresssack enttarnt, und verschwand wieder im Café.
Ich sah nach rechts, um zu begutachten, was hinter der Ecke lag. Ein sehr elegant wirkendes Lederwarengeschäft verkaufte glänzende Gürtel und andere Artikel aus Leder, und eine chemische Reinigung hatte mehrere Ballkleider in ihrem Schaufenster. Gegenüber der Reinigung hatte sich ein Porzellanladen etabliert. Dieser Teil des Korridors war nur etwa fünfzehn Meter lang und wurde von einer weiteren Glastür abgeschlossen. Ich konnte sehen, wie Sonnenlicht sich draußen in einer Windschutzscheibe spiegelte.
Meine Bestellung kam, während gut angezogene Leute an den anderen Tischen ihren Kaffee austranken und ihre süßen Brötchen aufaßen, bevor sie ins Büro gingen. Die lauteste Stimme, die ich hören konnte, stammte jedoch aus den englischen Home Counties. Eine Frau Anfang vierzig mit wallender Mähne unterhielt sich mit einer älteren Freundin. Gemeinsam trugen die beiden genug Make-up, um einen Granattrichter damit aufzufüllen. »Oh, Darling, ist das nicht schrecklich? Ich kann in
London keine Strumpfhosen finden, die lang genug für meine Beine sind. Die bekommt man heutzutage anscheinend nur in Schweden. Ich meine, ist das nicht absolut lächerlich?«
Andere Gäste sprachen auf Französisch, Italienisch, Englisch oder Amerikanisch leise, fast verstohlen in ihre Handys. In allen englischen Gesprächen kamen die Worte »Deal«, »abschließen« und »Vertrag« vor. Und unabhängig davon, in welcher Sprache ein Telefongespräch geführt wurde, es endete unweigerlich mit »Ciao, ciao!«
23
Als ich meinen Kaffee austrank, blieben zwei Männer an der Plexiglastafel stehen und suchten offenbar eine Firma, bevor sie auf einen Klingelknopf drückten. Einer von ihnen sagte etwas in die Sprechanlage, dann verschwanden sie beide durch eine zu den Aufzügen führende Tür in der linken Wand des Empfangsbereichs.
Ich hatte hier alles gesehen, was ich wissen musste. Ich griff nach der Serviette, säuberte mir die Hände und wischte damit die Tasse ab, obwohl ich nur den Henkel angefasst hatte. Dann ließ ich empörende Sechsundsechzig Francs und ein Trinkgeld auf dem Tisch liegen und ging so zurück, wie ich hereingekommen war.
Diesmal erfasste mein Blick den fünften Stock und glitt die Reihe kleiner Messingschilder entlang: In Suite 617 residierte offenbar die Monaco Training Consultancy, wer immer diese Leute sein mochten. Ich schlenderte weiter und verließ das Gebäude.
Der Platz lag jetzt in hellem Sonnenschein, deshalb setzte ich meine Sonnenbrille auf und zog den Mützenschirm tiefer ins Gesicht. Um den Platz herum waren Autos, Motorräder und Motorroller in jede verfügbare Lücke gequetscht. Städtische Gärtner schnitten eine Hecke, und zwei Männer in Kevlaranzügen waren dabei, mit einer Kettensäge einige Äste der großen unbelaubten Bäume zu kappen. Sprinkler bewässerten mit sanftem Druck den Rasen, während Frauen in Pelzen mit ihren Hunden, die dazu passende Accessoires trugen, vorbeischwebten. Als ich bei Prada rechts abbog, um auf die Rückseite des Gebäudes zu gelangen, begann hinter mir die Kettensäge aufzuheulen. Mich interessierte, wo der Ausgang neben der chemischen Reinigung ins Freie führte.
Die schmale Straße entlang der Seitenfront des Palais de la Scala war ungefähr sechzig Meter lang. Hier gab es ein paar Läden, die Filme entwickelten oder kleine Gemälde verkauften. Ich bog erneut rechts ab und gelangte auf die Rückseite des Gebäudes, in dem der Verwaltungsbereich lag. Manche Jalousien waren hoch gezogen, andere blieben unten; hinter ihnen lagen die Büro- und Lagerräume der Geschäfte. Den weitaus meisten Platz beanspruchte die Ladebucht fürs Postamt. Sie war sehr sauber und ordentlich, und das Postpersonal trug gut sitzende, frisch gebügelte blaue Uniformen und weiße Socken. Mir kam es vor, als sei ich versehentlich nach Legoland geraten.
Der Ausgang bei der Reinigung lag gleich jenseits der Ladebucht. Ich warf einen Blick durch die zweiflüglige
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