Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
worden und brauche noch etwas Zeit, um meinen – und ihren –
Scheiß in Ordnung zu bringen.«
Suzy ließ die Arbeit erneut ruhen. »Bist du verheiratet?
Kann ihre Mutter sich nicht um sie kümmern?«
»Nein, das kann sie nicht. Und der Jasager braucht nichts davon zu erfahren. Zweieinhalb Stunden morgen Vormittag … Mehr brauche ich nicht. Und ich bin nur zwanzig Autominuten weit weg.«
Sie warf mir einen Blick zu, in dem ich Mitleid zu lesen glaubte, dann arbeitete sie weiter. »Mach bloß keinen Scheiß, Nick. Ich tu’s für die Kleine, wer immer sie ist.«
»Danke.«
Danach dauerte es nicht lange, bis wir beide fertig waren und Suzy ankündigte, sie werde jetzt unter die Dusche gehen. Ich sah auf meine Traser: Es war wenige Minuten nach 23 Uhr – kurz nach 18 Uhr in Maryland.
Ich nahm mein eigenes Handy aus der im Wohnzimmer liegenden Bauchtasche und verschwand damit in der Küche. Ich hielt das Telefon zwischen Kinn und Schulter eingeklemmt, während ich Wasser in den Teekessel
laufen ließ.
Das wirkte sich blitzschnell auf die Temperatur von Suzys Duschwasser aus. »Dreckskerl!«
Darüber musste ich lachen.
Das Telefon klingelte weiter, dann meldete der
Anrufbeantworter sich mit einer Aufforderung, bei der ich glaubte, Josh lächeln zu sehen: »Hey da, Sie wissen, was zu tun ist: Lassen Sie sich einfach von Gott segnen.«
Ich trennte die Verbindung. Natürlich war er bis
Samstag mit den Kindern bei dieser Happy-clappy-Veranstaltung seiner Kirche. Also würde Kelly erst am Sonntag zurückfliegen können weil Josh sie vorher nicht abholen konnte. Scheiße.
Das Wasser kochte, und einige Sekunden später kam Suzy in ein großes grünes Badetuch gewickelt und von einer Dampfwolke gefolgt aus dem Bad. Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, während sie auf dem Korridor die wenigen Schritte zum Schlafzimmer ging, und
machte dabei mit zwei Fingern der anderen Hand das Siegeszeichen.
»Willst du einen Tee?«
»Yeah, Arschloch.«
Sie schloss die Schlafzimmertür nur halb hinter sich, und ich versuchte nicht allzu angestrengt wegzusehen, während sie sich abtrocknete und zweimal an den
Kleiderschrank trat. Sie hatte noch immer ihre
Bikinifigur aus Penang.
»Glaub bloß nicht, dass ich nicht sehe, was du tust, du trauriger kleiner Mann. Sieh lieber zu, dass der Tee fertig wird!«
Ich wandte mich wieder dem Kessel zu. »Warst du im Sonnenstudio?«
Ihr Lachen schallte auf den Flur hinaus. »Wie kommst du darauf, Kumpel? Alles echte Bräune, alles echt!«
Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, kaute ich ein
Salamisandwich, von dem Krümel auf meine Jeans und den Teppich fielen. Ihr Haar war zurückgekämmt, und sie trug wie zuvor Jeans und Laufschuhe, jetzt jedoch mit weißem T-Shirt und blauer Vliesjacke. Sie beugte sich neben mir zum Couchtisch hinunter, um sich ihren
Becher zu nehmen. Der Duft ihres Apfelshampoos
erinnerte mich daran, dass ich wirklich darauf achten musste, kein Waffenöl auf meine Boxershorts zu
bekommen. Ich hatte nur dieses eine Paar.
Sie ließ sich in einen Sessel fallen, und ich warf ihr eine Packung Doxycycline zu. Aus meiner eigenen hatte ich weitere Kapseln herausgedrückt. »Wie viele von diesen Dingern sollen wir eigentlich pro Tag nehmen?«
Ich spülte die beiden mit einem Schluck Tee hinunter.
Suzy wusste es ebenfalls nicht genau. »Ich nehme
meine erst ein, wenn ich etwas esse. Sonst bekomme ich noch Magenschmerzen.«
»Willst du was davon?« Ich hielt ihr die Hälfte meines Sandwichs hin, aber sie winkte mit ihrer Blisterpackung ab und verzog dabei angewidert das Gesicht.
»Warum bist du bei dem Dealer fast ausgerastet? Das hat ziemlich persönlich gewirkt …«
»Ich hasse diese Scheißkerle einfach.« Ich versuchte, mir ein Lächeln abzuringen. »Ich kann’s wahrscheinlich nicht ertragen, dass sie mehr verdienen als ich.«
»Hey, Nick, ich bin nicht der Feind. Von mir erfährt niemand etwas – ich helfe dir morgen sogar, deine Abwesenheit zu tarnen, hast du das vergessen?«
Ich schob einen an meiner Unterlippe klebenden
Weißbrotkrümel in den Mund und drückte zwei weitere Kapseln aus der Packung. »Ja, okay. Die Kleine hat Probleme, und ich dachte, ich könnte es hier in Ordnung bringen, aber dann ist der Anruf gekommen, und ich …«
»Schon gut, Nick, mehr will ich gar nicht wissen.
Keine persönlichen Dinge, stimmt’s?« Sie stand auf und verschwand im Flur. Kurz bevor sie die Schlafzimmertür zumachte, sagte sie noch: »Alles Gute
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