Nick u. Jan 1 Zweite Halbzeit
lieber so, ich hatte noch keine Zeit, meinen
Schreibtisch freizuräumen .
Jan hat eine Bruce-Springsteen-CD laufen.
„Ey, Papa, leg' Eminem rein!“, ruft Christoph von hinten. „Das ist Mucke für alte Leute!“
Aber er meint's nicht ernst, er ist gut drauf und freut sich, dass Josy mit dabei ist.
Ich werfe einen Blick rüber zu Jan und er sieht mich auch an und grinst.
„Aber ... ihr denkt dran, ja?“, erinnert uns Christoph, als wir aussteigen.
Wir sollen nicht Händchen halten, uns nicht umarmen und uns um Gottes Willen nicht küssen!
„Christoph ... du weißt doch, dass wir das nie in der Öffentlichkeit machen“, hatte Jan ihm gesagt, als er uns darum bat.
„Ja, ich weiß er druckste herum, „die wissen das aber auch nicht.“
Es weiß noch keiner von Christophs Freunden. Er versucht es hartnäckig zu verleugnen.
„Was denken die denn, wer ich bin?“, habe ich ihn mal gefragt.
Er wurde rot. „Ein Cousin“, hatte er geantwortet.
„ Für'n Onkel siehste zu jung aus“, hatte er noch hinterher geschickt.
Katharina hatte keine Probleme mehr damit. Einmal hörte ich, wie sie ihren Bruder anschiss.
„Das ist Nick gegenüber gemein, weißt du?“
Christoph hatte ausnahmsweise mal nicht zurückgekeift.
„Weiß ich doch“, hatte er sogar ziemlich kleinlaut gesagt, „aber wenn die's wissen, dann lachen sie. Das weiß ich ... und das will ich nicht.“
Katharinas Freundinnen waren alle ziemlich neugierig am Anfang. Ich fand's lustig.
Sie gingen oft in die Küche oder lungerten im Wohnzimmer rum und warteten nur darauf, dass ich auftauchte. Damals räumte ich gerade mein Zimmer ein.
„Kommt ihr?“, hörte ich Katharina genervt fragen, „wir haben doch jetzt alles!“
Sie kocht immer Tee, wenn sie Besuch hat.
An dem Tag hatte sie mir erzählt, dass sie's gesagt hätte.
„Und?“, fragte ich.
„Sie finden's cool“, sagte sie, „Miriam denkt, du wärst so 'ne Art Drag-Queen. Sie hat mich gefragt, ob du dich schminkst!“ Ich lachte. „Und - soll ich?“, fragte ich. „Hast du das schon mal gemacht?“ Ich überlegte.
„Doch ... wart' mal ... ja, jetzt fällt's mir ein! Ich sah ganz heiß aus ... als Raubkatze ... da war ich, glaub' ich, fünf ... oder doch sechs?“
Sie schubste mich und kicherte. „Ach, du! Immer nur Scheiß erzählen!“
„Soll ich so bleiben?“, fragte ich sie dann. Sie sah mich abschätzend an.
Ich trug meine Jeans (wie immer) und ein T-Shirt, von dem ich die Ärmel abgeschnitten hatte. Es sieht ein bisschen ausgefranst aus, aber ich hänge an dem Teil. Da war's noch August und ziemlich warm.
„Na ja, siehst halt aus wie immer ... die sollten dich mal sehen, wenn du die Lederhose anhast mit diesem schwarzen engen Shirt ... darin siehst du echt scharf aus!“
Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund und wurde rot. Es war förmlich mit ihr durchgegangen und nun war's ihr peinlich.
Ich weiß ja, dass sie ein wenig in mich verschossen ist, weil ich dem Torwart ihres Herzens ähnlich sehe, der Nr. 1 im Stuttgarter Tor.
„Ob Timo Hildebrand auch so scharfe Klamotten hat?“, sann ich halblaut, „ach nee, der ist ja total normal ... und Heteros haben meist öde Klamotten!“
Das riss sie schlagartig aus ihrer Verlegenheit und sie holte schon Luft, um verbal zurückzuschießen, aber da klingelte es und ich entwischte schnell in mein Zimmer.
Ich wollt's dann auch hinter mich bringen und trug die leeren Kartons auf den Flur.
„Hi“, sagte ich zu den drei Mädchen, die da auf dem Flur vorm Spiegel standen. Sie beäugten mich sprachlos (mit offenem Mund, die kleine Blonde), abschätzend( von oben nach unten, die große Dunkle) und freundlich grinsend (die blonde Langhaarige).
„Hallo? Kommt ihr?“, hörte ich Katharina von oben.
Ich brachte die Kartons nach draußen und hörte, wie sie über mich tuschelten, als sie nach oben gingen.
„... noch so jung!“
„... sieht ja total normal aus!“
„Er ist süß!“ Naja. Mädchen.
Jan
Wir sind reichlich spät dran, Chris läuft gleich zu seinen Jungs. Es waren mal wieder diverse Rentner mit Hut unterwegs. Außerdem wollte Martin noch unbedingt was mitnehmen aus seinem Auto und er suchte und suchte - ich weiß bis jetzt nicht, was er da eigentlich gesucht hatte - er wahrscheinlich aber auch nicht mehr.
Ich beobachte den Trainer und sehe Christophs angespanntes Gesicht. Dann sieht er enttäuscht auf den Boden. „Scheiße“, höre ich Nick neben mir.
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