Nick u. Jan 1 Zweite Halbzeit
alles schon geschafft und erledigt war, das schreckte mich ziemlich ab.
Bei mir wollte sich nie diese Zufriedenheit einstellen, die sie zumindest zu dem Zeitpunkt hatte, eigentlich nagte an mir immer dieses ungute Gefühl: 'War's das jetzt schon?'
Ich vermisste eine gesunde Portion Verrücktheit, Mut für Außergewöhnliches.
Manchmal, wenn ich auf langweiligen Elternabenden von Schule oder Kindergarten hockte (gerade da sind mir oft solche Gedanken durch den Kopf gegangen), stellte ich mir vor, dass ich plötzlich aufspringen müsste, um zu schreien, wie's mich ankotzt, hier zu sitzen.
Es gibt eine Stelle in „American Beauty“ - ich war mit Renate drin, als er im Kino lief, da schafft es Kevin Spacey fast, seine Gattin herumzukriegen. Er erinnert sie an die beiden, die sie auch einmal waren, als sie noch jung und verrückt nacheinander die chaotischsten Dinge angestellt hatten. Sie geht zuerst darauf ein, aber er bekleckert fast das teure, mit italienischer Seide bezogene, Sofa mit seinem Bier und das bringt sie so dermaßen auf, dass sie einen Riesen-Aufstand veranstaltet. Daraufhin ist er verständlicherweise ziemlich abgeturnt .
Ich starrte diese Szene im Kino an und mir wurde klar, dass wir nicht einmal auf verrückte Erinnerungen zurückblicken konnten. Weil es keine gab.
Weil alles immer völlig normal verlaufen war.
Das hieß, alle paar Wochen Sex im dunklen Schlafzimmer unter der Bettdecke.
In Missionarsstellung.
Wir waren ein ganz normales Paar.
Und später wurden dann aus den Wochen Monate. Mein Gott, Nick!
Lass' es uns nie so weit kommen lassen!
Nick
Ich fahre Katharina und Lily mit meinem Wagen zum Bahnhof und gehe noch mit auf den Bahnsteig. Manchmal treibt sich hier übles Pack rum.
Es gibt bei uns so ein paar Glatzen in Springerstiefeln, die sich unglaublich cool fühlen, wenn sie reichlich Bier getankt haben und durch's Dorf ziehen.
Ein paar von denen lungern auch heute wieder an der
Bushaltestelle vorm Bahnhof rum.
„Ob er noch da ist, wenn wir wiederkommen?“, überlegt Katharina.
„ Nihick !“ Lily zupft an meiner Jacke und tritt auf der Stelle, „ich muss mal!“
„Hättest du nicht zuhause gehen können?“, sagt Katharina ärgerlich. Da sie keine Anstalten macht, ihre kleine Schwester zu begleiten, gehe ich seufzend mit Lily in die Halle zurück und ins Männerklo.
Wir gehen an den zwei Typen vorbei, die laut rülpsend an den Urinalen stehen. Sie findet's komisch.
„Die können aber laut rülpsen“, sagt sie in der Kabine und kichert.
Ich find's erstaunlich, dass sie sich die Mühe machen, überhaupt hier reinzugehen.
Ich helfe ihr beim Anziehen. Den Knopf ihrer Hose kriegt sie nie alleine auf oder zu. Wir gehen wieder raus.
Ein dritter Skinhead ist reingekommen und pisst gerade ins Waschbecken.
Er grinst mich schmierig an und mustert mich aufdringlich von Kopf bis Fuß.
„Guck' nur Kleine“, sagt er, „ so'n Großen hat dein süßer Papa bestimmt nicht in der Hose!“
„Den nennst du groß?“, sage ich beim Rausgehen. Die anderen zwei lachen hämisch und der Waschbeckenpisser guckt mich hasserfüllt an.
Verdammt, ich kann's nie lassen! Lily sieht mich verstört an.
„Der hat ins Waschbecken gemacht“, sagt sie ganz fassungslos zu Katharina.
„Was? Iiih !“, sagt die. „Die machen auch immer so blöde Sprüche ... die sind echt eklig.“
Der Zug kommt. Lily drückt und küsst mich. Katharina und ich umarmen uns.
„Viel Spaß“, sage ich, „grüß' Renate ... und Tati!“ Sie lacht und beide winken.
Als ich zum Auto gehe, sehen die Glatzen zu mir rüber. Der Waschbeckenpisser zeigt mir seinen hochgereckten Mittelfinger und einer der anderen formt einen Kussmund und schmatzt laut in meine Richtung. Die anderen lachen grölend. Ich hab's schon vergessen, als ich wieder zu Hause bin.
Jan hat in der Zwischenzeit Brote für Christoph geschmiert.
„Soll ich noch den Hefeteig machen für heute Abend?“, frage ich ihn. Wir wollten Pizza essen.
„Lass' es“, sagt er, „wenn Martin und Josy da sind, reichen zwei Bleche nicht. Wir werden unterwegs auf dem Rückweg welche kaufen. Salat machen wir dann frisch ... Nick“, sagt er dann leise, obwohl wir allein in der Küche stehen, „ich hab's mir auch anders vorgestellt, dieses Wochenende ...“ Er hat mich an sich gezogen. „Ich möchte mal wieder nur mit dir alleine sein!“ 'Ich auch', denke ich, als wir uns küssen.
Jeff Goldblum fährt auch mit.
Ist mir auch
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