Nickel: Roman (German Edition)
mit mir oder irgendeinem Jungen wie mir anstellen wollte. Schließlich wurde es selbst für meinen Pferdemagen zu viel und ich sagte: »Ron, Schluss mit dem Scheiß. Du hast eine Frau, drei Kinder und einen Hund namens Rudy. Sieht aus wie ein Jack Russell. Das sind nette Hunde, wenn auch ein bisschen wild.«
Er versuchte erst gar nicht sich herauszureden, ging einfach off. Ich begann mit seiner beruflichen E-Mail. Ich schickte ihm von meinem gefakten E-Mail-Account aus einen Screenshot von unserem Chat; die IP ist blockiert, es sieht so aus, als wäre ich aus Kalifornien. Der Betreff lautete: »Ron Michaels will kleine Jungs ficken.« Nicht mein bester Einfall, aber er würde seinen Zweck erfüllen. Während ich auf Rons Reaktion wartete, wandte ich mich wieder der Sexualstraftäterdatenbank zu. Ich hatte einen verrückten Einfall und öffnete einen weiteren Tab, um mich bei Zappos.com umzusehen.
Ich wollte gleich zu den Arbeitsschuhen gehen, hielt aber mitten im Tippen inne, öffnete einen neuen Tab und ging zu Amazon. Sah mir da auch die Arbeitsschuhe an. Ich holte meinen Notizblock hervor, legte den Pager auf den Schreibtisch und schlug meine Skizze von dem Stiefelabdruck auf. Es machte dingdong, ich hatte eine neue E-Mail, aber das ignorierte ich. Ich stürzte mich in die Welt der Arbeitsschuhe. Man hat da echt jede Menge Auswahl. Nach einer Stunde machte ich eine Pause bei der Schuhsuche und las die E-Mail. Typisch.
»Hier ist Ron, und ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden, aber ich glaube, Sie meinen jemand anderen, auch wenn meinepersönlichen Daten stimmen. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, ich würde kleine Jungen ficken oder sie sonstwie belästigen wollen, denn das tue ich nicht. Ich bin Christ und Familienvater, bitte lassen Sie mich in Ruhe. Sie haben sich in der Person geirrt.«
Das sagen sie alle. Wirklich alle. Früher habe ich mir von ihnen vor der großen Enthüllung erst noch ein Foto von ihrem Schwanz schicken lassen, aber dabei hat sich mir einfach zu oft der Magen umgedreht. Es ist eines, zu wissen, dass man ihnen einen Gefallen tut; es ist etwas völlig anderes, zu sehen, wie sehr sie das zu schätzen wissen. Was mich am meisten ankotzt? Ich glaube, die meisten von denen würde es noch mehr antörnen, wenn ich ihnen die Wahrheit sagte – dass ich wie ein Erwachsener allein lebe. Ich schickte Ron eine Antwort, für die er eigentlich hätte dankbar sein müssen.
»Ron, ich bin nur ungern der Überbringer schlechter Nachrichten, aber ich weiß, was du bist, und du auch. Schau, ich habe dich in einer kontinentübergreifenden Schlinge. Ich bin ein Cop, der dafür bezahlt wird, so was zu tun, und es gefällt mir genauso wenig wie dir. Versteh mich nicht falsch, ich halte dich für total krank und alles, aber mein Kontostand gefällt mir auch nicht. Gegen eine geringe Summe, die du mit Nachweis innerhalb von achtundvierzig Stunden absendest, überlege ich es mir anders und schicke unsere Unterhaltung nicht an deinen Boss und deine Frau. Ich will dir ja entgegenkommen, aber die Fotos vom Auto und vom Haus, die deine Frau auf Facebook eingestellt hat? Ich weiß, dass du Geld hast.«
Ich machte Pause und wartete. Zu meinem Stiefelabdruck hatte ich ein paar Tausend Gegenstücke gefunden, von DocMartens bis Rocky, und das in diesem Herbst gängigste Profil kam dem des Stiefelabdrucks neben dem Haarband sehr nahe. Wieder machte es dingdong. Ich seufzte und war froh über die Ablenkung. Mit den Schuhen würde ich noch viel Arbeit haben, mehr als ich erwartet hatte, womöglich einige Tage, aber Geld regiert die Welt. Diesmal fasste er sich kurz.
»Sie haben den Falschen. Bitte lassen Sie mich in Ruhe.«
Am Anfang habe ich diesen Typen noch geglaubt, wenn sie das behaupteten. Drei Minuten später tauchte der Typ dann mit demselben Benutzernamen und genau derselben IP-Adresse im selben Chatroom wieder auf. Da habe ich jegliche Empathie und jedes Mitgefühl mit meinen Geschlechtsgenossen verloren. Die Sache war doch beherrschbar, aber manche Leute ließen ihre kranke Seite ganz bewusst von der Leine. Ich schwor mir, nie Nachsicht walten zu lassen bei diesen Pädos, und das hat weder meinem Moralempfinden noch meiner Geldbörse geschadet. Ich rede mir ein, dass die meisten von denen, die zahlen, aufhören. Wirklich gruselig ist die Vorstellung, wie viele mir entgehen. Hab ich schon erzählt, dass ich nicht besonders gut schlafe?
»Nein, ich lasse dich nicht in Ruhe. Die E-Mail an deinen Boss
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