Nickel: Roman (German Edition)
sich bald wieder verzog, sonst würde mein Freitagsrechercheprojekt ins Wasser fallen. Ich dachte an Shelby und Arrow. Für sie herrschten schon jetzt stürmische Zeiten. Ich ging wieder ins Haus und räumte das Essen weg. Ging in mein Zimmer und legte meine Tarnung an. Dann setzte ich mich aufs Fahrrad und fuhr wieder nach Four Oaks.
An einer Tankstelle unterwegs hielt ich an und schnappte mir eine Zeitung. Der Angestellte warf mir einen befremdeten Blick zu und ich legte ein paar Süßigkeiten oben drauf. Der befremdete Blick verschwand. Draußen warf ich die Süßigkeiten in die Mülltonne. Ich kann nicht zum Zahnarzt gehen, deshalb gehen Süßigkeiten gar nicht, und zweimal täglich Zähneputzen ist ein Muss. Ich setzte mich auf den Bordstein neben mein Fahrrad. Auf der ersten Seite stand ein kurzer Artikel überShelby. Ich überflog ihn, aber ein Haarband wurde nicht erwähnt. Auf dem kleinen Foto, das die Zeitung brachte, sah sie genau wie Arrow aus, sehr hübsch, nur kleiner. Ich musste dieses Mädchen finden.
Als ich durch Four Oaks rollte, irritierte mich irgendetwas, ich konnte nur den Finger nicht darauflegen. Irgendetwas regte sich da und wartete darauf, dass ich es festnagelte, aber ich kam einfach nicht darauf. Ich war wohl so damit beschäftigt, nach innen zu sehen, dass ich außen nichts wahrnahm.
Sie waren zu dritt, alle auf Fahrrädern, die viel besser aussahen als meines, und alle waren sie größer als ich. Hatten auch nettere Klamotten an als ich, und keiner von ihnen sah aus, als müsste er zum Friseur. Ich wog meine Aussichten ab, ihnen einfach davonzuradeln, verwarf die Idee aber, nahm die Füße von den Pedalen und bremste mit meinen Chucks. Sie kamen so dicht heran, dass ihre Vorderräder meines beinahe berührten. Ich stellte mich so hin, dass ich abspringen konnte, ohne hängen zu bleiben, wenn ich mein Fahrrad fallen ließ. Der Mittlere – hinsichtlich Größe und Position – sprach zuerst: »Du wohnst nicht hier.«
Ich schüttelte den Kopf, nein, und tat so, als hätte ich Angst. Dieser Teil war einfach; darin hatte ich Übung.
Der Typ links von mir sagte: »Und was willst du dann hier? Wir brauchen hier in der Gegend kein weißes Pack wie dich.«
»Ich fahre nur Fahrrad.«
Der Mittlere äffte mich mit einem extrem prolligen Akzent nach: »›Ich fahre nur Fahrrad.‹ Du hast dir die falsche Gegend zum Fahrradfahren ausgesucht.«
Ich machte mich bereit, das Rad fallen zu lassen. Genau daskonnte ich jetzt überhaupt nicht brauchen. Was ich brauchte, war eine normale Wohnsiedlung, in der ich mich unauffällig bewegen konnte, ohne Wellen zu schlagen. Ich ließ die Hände herabhängen. Falls ich Gewalt anwenden musste, musste das schnell gehen und völlig überraschend kommen, wenn ich eine Chance haben wollte. Ich musterte ihre Gesichter. Sie versuchten tough auszusehen und zumindest von meiner Warte aus gelang ihnen das ziemlich gut.
Der Mittlere sagte: »Hast du Geld, Müllsack?«
Ich schüttelte den Kopf.
Der auf der rechten Seite hatte noch gar nichts gesagt. Also war er entweder der Muskelprotz oder hatte in etwa so viel Interesse an dieser Sache wie ich. Die anderen beiden grinsten, als hätten sie gerade den lustigsten Witz der Welt gehört, aber sein Gesicht war wie versteinert.
Der auf der linken Seite sagte: »Wir nehmen dein Fahrrad. Runter da.«
Ich ließ das Fahrrad zur Seite fallen, schob es zugleich auf sie zu und riss es hoch. Rahmen und Vorderrad prallten auf ihre Räder und stießen sie zurück, sodass ihre Köpfe nach vorne flogen. Rhino sagt, wenn man jemanden schlägt, dann dreht man sich so, dass man mit dem ganzen Körper in den Schlag geht, nicht nur mit dem Arm. Ich rammte dem in der Mitte mit Wucht die rechte Faust ins Gesicht, spürte, wie die Knochen in seiner Nase sich verschoben, und sah sofort Blut. Er hielt sich die Nase, als hätte er Angst, sie könnte abfallen. Vielleicht tat sie das ja noch.
Der auf der rechten Seite wich zurück, entweder um Anlauf für einen Angriff zu nehmen oder um abzuhauen.
Ich packte den auf der linken Seite am Ohr und zog ihn daran nach unten und auf mich zu. Noch eine Regel aus der Sportschule: Wenn du Druck auf etwas ausüben willst, tu es schnell. Er war größer als ich, und so, wie ich da mit ausgestrecktem Arm stand, brachte mein Fahrrad mich fast zu Fall.
Der Junge schlug nach meinen Handgelenken, während ich ihm das Ohr verdrehte. »Weißt du«, sagte ich, »ich muss nur fünf Pfund Kraft aufwenden, um
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