Nickel: Roman (German Edition)
Schweinekoteletts, Zeug für eine Marinade, Zeug für einen Salat, solche Sachen. Oder man muss Vorratslücken auffüllen, vergessen, dass man keine Mutter hat, und sich stattdessen vorstellen, sie muss einen Kuchen backen und braucht dafür ein paar Sachen. Normalerweise runde icheinen solchen Ausflug mit einem Karton Chicken-Nuggets oder einer Pizza ab, so als wäre die fragliche Mutter gerade sehr beschäftigt und wollte eine schnelle Mahlzeit.
Egal für welche Strategie ich mich entscheide, ich fange immer gleich an: bei den Zeitschriften. Früher habe ich in einem Laden ganz in der Nähe eingekauft, bei D&W. Seit der dichtgemacht hat, muss ich alles bei Meijer einkaufen. Das Schöne bei D&W war gewesen, dass sie Comics hatten. Nicht nur gute, hauptsächlich
Archie
und
Jughead,
und die sind bescheuert, aber immerhin; bei Meijer gab es keine Comics. Jedenfalls besagt die erste Faustregel, dass man bei den Zeitschriften herumhängen und etwas anfassen muss. Man bleibt so lange, bis man bemerkt wird. Ein dreißigjähriger Mann könnte einmal im Monat sein Anglermagazin lesen, bis er alt und grau ist; ein Kind kann sich keine zwei Seiten ansehen, bis es einen bösen Blick erntet. Kinder verschütten etwas, bringen alles durcheinander – für uns liegt die Messlatte höher. Also: Immer zuerst die Zeitschriften, und sobald die bösen Blicke der Angestellten anfangen, kann man einkaufen.
Danach erledigt man einfach alles so schnell wie möglich – man hat Wichtigeres zu tun, man ist ein Kind! Hetz durch den Laden, aber lass sie bloß nicht auf den Gedanken kommen, du wolltest etwas stehlen oder sie müssten dich auffordern nicht so zu rennen. Du willst Aufmerksamkeit erregen, indem du dich wie ein Kind benimmst, aber du willst dir nicht den echten Zorn eines Erwachsenen zuziehen. Es ist wie auf einer Safari in Afrika: Du willst die Löwen sehen, aber nicht von ihnen gefressen werden. Das Ziel ist, Lebensmittel zu kaufen und wieder zu verduften, aber keiner soll sich fragen, warum dieser Jungeständig hier einkauft, und womöglich einen Cop rufen, der dir nach Hause folgt.
Wenn ich dann an der Kasse warte, bewundere ich immer lange die Süßigkeiten, bis ich mir schließlich etwas aussuche. Aus irgendeinem Grund lullt das die Erwachsenen ein, sie träumen dann davon, wie wunderbar es doch ist, ein Kind zu sein, und fühlen sich dir verbunden. Das liegt daran, dass sie keine Kinder sind. Die sollen sich nicht um mein Wohlergehen sorgen; die sollen mich in Ruhe lassen. Und um einen Jungen, dessen größtes Problem die Frage ist, ob er Mandeln möchte oder nicht, sorgt sich niemand.
Normalerweise landet man am Ende entweder bei einem unfreundlichen Kassierer oder bei einem, der cool sein will und einen wie einen Erwachsenen behandelt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Aber ich weiß, je eher man wieder draußen ist, desto besser. Geh raus, pack die Sachen so unauffällig wie möglich in deinen Rucksack und verdufte. Es wäre hilfreich, wenn ich mich mit einem Korb anfreunden könnte, aber die Eitelkeit verwehrt mir diese Strategie.
Ich habe sogar einen dieser Fahrradanhänger für kleine Kinder gekauft, um meine Einkäufe zu befördern, aber ich habe ihn noch nie benutzt. Ich fand es dann doch ein bisschen zu auffällig. Ehrlich, das Ganze nervt total – ich will doch nur meinen Kram kaufen wie alle anderen auch.
Heute lief es wie am Schnürchen. Ich las ein
Star-Wars-Insider
-Heft – doch, echt –, wurde visuell von einem Geschäftsführer gerügt und machte mich an die Arbeit. Ich kaufte Milch, Eier, ein Paket Würstchen und einen Beutel tiefgefrorene Chicken-Nuggets. Rundete meinen Einkauf mit einem Snickers ab undließ eine banale Unterhaltung mit der Kassiererin über mich ergehen: wie es in der Schule laufe und ob ich mich schon auf den Schnee freue. Ich schlug mich richtig gut, wenn man bedenkt, dass ich nicht zur Schule ging, und wer mochte schon Schnee, wenn man noch alle Tassen im Schrank hatte? Ich log in beiden Fragen, verließ den Laden, belud das Fahrrad und fuhr nach Hause.
Als ich in die Einfahrt rollte, war es bereits später Nachmittag. Ich brachte den Kram in die Küche, verstaute alles im Kühlschrank und in der Gefriertruhe. Warf ein paar Chicken-Nuggets auf ein Backblech, heizte den Ofen vor. Schloss meinen Pager ans Ladegerät an und setzte mich an den Schreibtisch. Ließ die Fingerknöchel knacken. Ging angeln. Der Herd piepte und ich schoss wie ein Schwimmer an die Oberfläche. Schob
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