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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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die fesselnden Magnustexte genug Spielraum; Amadi wich vor ihm zurück.
    »Ist dir denn irgendetwas Seltsames im Speicherturm aufgefallen?«, fragte er. »Vielleicht nicht unbedingt Ton, aber irgendein irdenes Metall, Granit, Stahl oder …«
    »Staub«, sagte sie ohne Nachzudenken. »Holzsplitter haben wir auch noch gefunden, aber ansonsten war im Gemeinschaftsraum nur alles vollgestaubt. In der Ecke lag gleich ein ganzer Haufen mit einem zerrissenen weißen Laken darauf.«
    Shannon riss die Augen auf. »Der Arm, den ich dem Tongolem abgeschlagen habe, war in einen weißen Ärmel gehüllt.«
    Amadi schüttelte missbilligend den Kopf. »Magister, Euer Märchen mit dem Golem ist einfach zuviel des Guten. Texte aus der Alten Welt etwa?«
    »Amadi, indem du Nicodemus den Unglücksboten nennst, gibst du doch selbst zu, dass sich die Fesseln, die die Dämonen bislang in der Alten Welt festgehalten haben, allmählich lösen. Gleichzeitig aber sträubst du dich zu glauben, dass die alte Magie bereits einen Weg über den Ozean gefunden hat.«
    Darauf sagte Amadi erst einmal gar nichts.
    »Wenn du den Jungen anständig bewacht hättest, wäre das alles überhaupt nicht geschehen«, sagte Shannon streng. »Das Mindeste, was du tun kannst …«
    »Das reicht«, unterbrach sie ihn schroff. »In Anbetracht der Wurmplage habe ich den Jungen anständig bewacht. Schließlich wart Ihr es, der ihm den Schlüssel zum Speicherturm zugespielt hat. Und Ihr seid es auch, der Nicodemus jetzt reinwaschen muss. Dafür gibt es nur einen Weg: Helft uns, den Jungen zu finden. Magister, ichbitte Euch. Helft uns, den Index zurückzubekommen und den Unglückboten einzufangen.«
    Shannon starrte finster vor sich hin.
    Amadi seufzte. Womöglich hatte ihr alter Lehrer recht, sie hätte die Wachen vorm Speicherturm nicht abziehen dürfen. Wenn der Provost erfuhr, dass sie Nicodemus hatte entwischen lassen, würde sie Shannon in seiner Zelle vielleicht bald Gesellschaft leisten. »Könnt Ihr den Jungen aufspüren?«, fragte sie geduldig. »Wisst Ihr, wo er sich versteckt haben könnte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich es wüsste, würde ich dich nicht zu ihm führen. Du mit deiner Gegenprophezeiung hast es ihm doch unmöglich gemacht, nach Starhaven zurückzukehren. Sobald man den Jungen findet, wird der Provost ihn mit großer Wahrscheinlichkeit zensieren.«
    »Aber Ihr müsst ihm doch die Chiffre für Euren Sendzauber beigebracht haben.«
    »Sollte ich das getan haben, werde ich ihn nie verwenden«, gab Shannon unwirsch zurück. »Selbst wenn du vorgibst mich zu begnadigen oder gar einen Ausbruch inszenierst, ich werde erst dann nach Nicodemus suchen, wenn ich ganz sicher bin, dass du mir nicht mehr folgst.«
    Amadi begann in der winzigen Zelle auf und ab zu laufen. »Warum beschützt Ihr den Jungen?«
    »Hast du es jemals in Betracht gezogen, dass er der Halkyon sein könnte?«
    »Und was um Himmels Willen deutet darauf hin, dass er der Hüter der Sprachen ist?«, fragte sie. »Seine Kakographie, die bereits die gesamte Festung in heilloses Durcheinander gestürzt hat? Sein Keloid, das Chaos symbolisiert? Trümmer und Tod, die ihm so sicher folgen wie das Unglück dem Unglücksboten?«
    »Mach doch die Augen auf, Amadi! Ein Wesen, geschrieben in einer alten Sprache, bringt meine Schüler einen nach dem anderen um, nur um an Nicodemus heranzukommen. Wer sonst, wenn nicht ein Dämon, sollte die alte Sprache in unser Land bringen?«
    Amadi schürzte die Lippen.
    »Amadi, dieses dämonische Wesen hat dich dazu gebracht, mich fälschlicherweise zu verdächtigen. Und dieses Wesen sorgt auch dafür, dass du dich statt um die wahre Prophezeiung um die Gegenprophezeiung sorgst.«
    Amadi öffnete den Mund, um zu antworten, doch da wurde sie von einem lauten Klopfen an der Zellentür unterbrochen. »Herein«, rief sie. Die Tür schwang auf, und eine der Wachen erschien, ein kleiner Mann mit rotgelocktem Bart.
    »Was gibt es?«, fragte Amadi ungeduldig.
    »Eine Nachricht von Eurem Sekretarius«, erwiderte die Wache und sah auf etwas Grünes in seinen Händen.
    »Magistra«, las er, »die beiden Druiden Deidre und Kyran sind verschwunden. Die Druiden der Delegation Stummes Sterben leugnen jegliche Mitwisserschaft.« Die Wache blickte auf. »Gezeichnet: Magister Kale.«
    »Bei Los’ feurigem Blute!«, fluchte Amadi. »Was sonst kann noch schief gehen?«

Kapitel 34
    Während Nicodemus dem chthonischen Geist hinab in die Ruinenstadt folgte, rief er

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