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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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des Geistes, bevor er Nicodemus seine Erwiderung hinwarf: »Euer Foliant hat Euch Wrixlan, eine unserer Sprachen, gelehrt, weil Ihr ein Eugraph seid, nicht wahr?«
    »Ich bin ein Kakograph.«
    Kopfschüttelnd schrieb Tulki seine Antwort und schnippte sie Nicodemus zu. »Das hat unser letzter Besucher vor langer Zeit auch gesagt. Aber alle Eugraphen machen in den Zaubersprachen Fehler. Sie versuchen vergebens ein System in die Rechtschreibung zu bringen. Deshalb wirkt Wrixlan so anziehend auf Euch: Es ist logisch und von daher eugraphisch. Macht Ihr in Wrixlan nicht wesentlich weniger Fehler?«
    »Ich … ich habe damit einen Tarntext umgeschrieben«, stotterte Nicodemus und blieb dann unvermittelt stehen. Er besah sich noch einmal seine Übersetzung von Tulkis Text. Überraschenderweise konnte er keine Fehler darin entdecken. Natürlich entging ihm aufgrund seiner Kakographie auch der eine oder andere Fehler, doch seine Numinusübersetzungen strotzten nur so vor Fehlern.
    »Himmlisches Heer«, fluchte er leise. »Bedeutet das etwa, dass ich in Eurer Purpursprache gar kein Kakograph bin?«
    Nun lächelte der Geist, er schrieb die Antwort auf seinen Arm und hielt ihn Nicodemus hin. »Ganz genau. Mein Volk hat schon lange gewusst, dass Eure ›Kakographie‹ lediglich von einem Ungleichgewichtzwischen Geist und Sprache herrührt. Zaubersprachen sind willkürlich. Weil Ihr ein Kakograph seid, verwehrt sich Euer Geist dieser Willkür. Tatsächlich fühlt Ihr Euch jedoch von einer logischen Sprache wie Wrixlan angezogen. Deshalb habt Ihr in Euren Träumen die Geschöpfe geschrieben, die jetzt Eure Haut zieren. Und deshalb hat Euch der Index unsere Sprache gelehrt. Seid Ihr wirklich nicht zu Forschungszwecken hier?«
    Nachdem er das gelesen hatte, sah Nicodemus erstaunt auf. »Nein, Magister, ich bin kein Forscher. Aber ich würde gerne mehr darüber erfahren, warum ich in Eurer Sprache gar kein …« Nicodemus verstummte, denn Tulki schrieb schon wieder.
    Der Geist formte mehrere Sätze auf seinem Unterarm, brach ab, strich zwei Sätze durch, schrieb andere um, und fuhr schließlich mit dem Schreiben fort.
    Unruhig zappelte Nicodemus herum, bis Tulki ihm die fertige Antwort überreichte. »Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung. Als ich die wunderbaren Nachtwesen entdeckte, war ich überzeugt, dass ihr Verfasser eines Tages einen Wrixlan-Folianten finden und so seine dunklen Fantasien kennenlernen würde. Beinahe dreihundert Jahre ist es jetzt her, dass wir von einem anderen Eugraphen Besuch bekamen – ein leidenschaftlicher junger Mann. Er wollte alles über Eugraphie lernen, und er sah aus wie Ihr. Andererseits sehen für mich die Menschen alle gleich aus. Um aber auf Euch zurückzukommen: Vor vielleicht zehn Jahren habe ich Eure Geschöpfe im Wald gefunden und sie zu überreden versucht, Euch, sollten sie Euch jemals begegnen, hierher zu bringen. Doch die meisten bestanden darauf – verzeiht mir –, Euch zu fressen.«
    »Mich zu fressen?« Nicodemus lachte überrascht auf.
    Tulki nickte und hielt ihm einen weiteren Absatz hin. »Zum Glück haben sie Euch stattdessen zu mir gebracht. Verzeiht, falls das wie eine Entführung gewirkt haben sollte. Wenn Ihr hingegen gar kein Forscher seid … nun das ändert alles. Jetzt mache ich mir um die dreiundsechzig hier ruhenden Geister Sorgen. Ich hatte gehofft, Ihr könntet uns helfen. Drei Jahrhunderte ist es jetzt her, seit der letzte Eugraph vorbeigekommen ist und im Tausch für unser Wissen unsere Texte aufgefrischt hat. Lange vor ihm sind chthonische Zauberschreiber aus dem Himmelbaumtal zu uns gekommen. Doch unsere Heimstätte in den Bergen scheint vernichtet.«
    Nicodemus sah ihn groß an. »Den Himmelbaum gibt es wirklich? Die Chthonen sind über die Spindle-Brücke entkommen? Wurde sie dafür gebaut?«
    Tulki lächelte. »Ihr seid also neugierig! Doch bevor ich antworte, möchte ich wissen, ob Ihr bereit wärt, unseren Spektralkodex, das lebendige Buch mit unseren Geistertexten, aufzufrischen? Es bedarf lediglich der Berührung eines Wrixlan-Zauberschreibers. Dafür werde ich alle Eure Fragen beantworten.«
    Nicodemus dachte einen Moment lang nach. »Ein mörderisches Wesen, ein sogenannter Golem, eine Art Geschöpf, ist hinter mir her. Könntet Ihr mich verstecken?«
    Das Lächeln auf Tulkis Geistergesicht erstarb. Er bildete einen Satz in der Hand und besah ihn sich eine Zeitlang, bevor er ihn Nicodemus zuwarf. »Seid Ihr ein Verbrecher oder ein

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