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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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gestattet, im Bestiarium zu lesen. Wir Geister werden nicht gegen die alten Bräuche verstoßen und unser Bestiarium einsetzen.«
    Nicodemus dachte kurz darüber nach und fragte dann: »Aber warum nennt Ihr es Bestiarium? Enthält das Buch denn Tierbeschreibungen?«
    Der Geist schüttelte den Kopf und schrieb: »Das glaube ich nicht. Eher war es ein Übersetzungsproblem. Im Bestiarium steckt das Wissen um die Ursprache. Genau genommen bildet ein Bestiarium das Herzstück einer jeden chthonischen Siedlung. Das muss auch so sein, denn auf diese Weise war es uns möglich, uns an eine neue Umgebung anzupassen.«
    »Und aus diesen Trümmern sollte einmal eine neue Siedlung entstehen? Seid Ihr deshalb hierhergekommen?«
    Tulki schrieb eine Weile und reichte Nicodemus dann zwei Absätze. »Nicht ganz. Anfangs war dies nur eine Stadt, die während der ersten Belagerung zerstört wurde. Uns Geister hat es erst hierher verschlagen, nachdem Starhaven endgültig erobert war. Als die Legionäre die Festungsmauern durchbrachen, haben sich einige unserer Krieger das Bestiarium geschnappt und sind damit nach Süden gezogen. Sie hatten gehofft, den Eisenwald oder das Grausgebirge zu erreichen, um dort eine neue Kolonie zu gründen. Zwei Spektralkodizes hatten sie auch dabei. In einem steckten die Geister von Künstlern und Geistlichen, im anderen befanden sich Politiker und Gelehrte. Ich selbst war in Letzterem.
    Doch bei Morgengrauen haben die Menschen die Ausbrecher gestellt. Im darauffolgenden Kampf wurde der Kodex mit den Geistlichen vernichtet. Die überlebenden Chthonen haben dann das Bestiarium und den erhalten gebliebenen Kodex hierhergeschafft. Nachdem sie dem Bestiarium geholfen haben, die nötigen Tarntexte und Metazauber zu schreiben, haben sie sich in die Berge, ins Himmelbaumtal aufgemacht … sie sind dort aber nie angekommen.«  
    Respektvoll schwieg Nicodemus, bevor er wieder das Wort ergriff: »Und ist Eure Ursprache mit Primus verwandt?«
    Der Geist zog die Stirn in Falten und hielt Nicodemus ein paar Sätze hin. »Wie gesagt, ich bin kein Geistlicher. Aber ich erinnere mich, dass das Neosolare Reich die Ursprache als blasphemisch verurteilt hat. Sie haben behauptet, wir hätten vor, den Text des Schöpfers zu verändern oder ähnlich Widersinniges. Dabei haben sie den Gedanken, wir könnten die heilige Sprache verzerren, nur genutzt, um ihre Blutgier zu stillen.«
    Nachdem Nicodemus die Zeilen gelesen hatte, sagte er: »Ich muss alles über Primus erfahren, denn Eure Ursprache ist Primus vielleicht ähnlich. Befindet sich das Bestiarium in der Nähe?«
    Tulki fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, dann nickte er.
    »Wäre ich imstande es zu lesen?«
    Zögernd hielt ihm Tulki seine Antwort entgegen. »Ja … um mit dem Folianten zu interagieren, muss man fließend Wrixlan beherrschen … doch leider kann ich es Euch nicht gestatten.«
    »Eure Religion verbietet es Euch? Ist das Bestiarium gefährlich?«
    Der Chthone schüttelte den Kopf. »Gefahr besteht nur wenig. Und unsere Bräuche verbieten es Euch auch nicht. Aber wisst Ihr, dem letzten Kakographen haben wir es gestattet, im Bestiarium zu lesen. Doch nachdem er sich auf den Text eingelassen hatte, wurde er sehr missmutig. Bald darauf verließ er uns und kehrte nie wieder.«
    Diesmal war es Nicodemus, der überrascht reagierte. »Was hat er denn aus dem Buch gelernt?«
    Der Geist schickte Nicodemus eine Antwort und senkte dann den Blick zu Boden. »Das hat er uns nicht sagen wollen.«
    Auf einmal erfasste Nicodemus die Situation. »Ihr befürchtet also, dass das, was den anderen Kakographen betrübt hat, auch mich betrüben könnte und ich dann Euren Spektralkodex nicht auffrischen würde.«
    »Bitte nehmt es mir nicht übel. Doch wenn Ihr uns nicht helft, werden wir uns auflösen.«  
    »Ich verstehe Euer Dilemma. Wie wäre es mit einem Handel? Ich werde Euren Kodex jetzt sofort erneuern und verspreche künftig zurückzukehren. Im Tausch dafür werdet Ihr mir erlauben, mit dem Bestiarium zu interagieren.«
    Der Geist schaute ihn eindringlich an: »Ja, so könnte es gehen. Lasstuns morgen Genaueres besprechen. Doch denkt daran, dass ich nicht da sein werde, wenn Ihr nach Sonnenaufgang erwacht. Wartet, bis die Nacht hereinbricht, macht aber keinesfalls ein Feuer und beschwört auch keinen grell leuchtenden Zauber hervor. Ich werde zurückkommen.«
    »Einverstanden«, sagte Nicodemus und drehte sich herum, um den Spektralkodex in seinem steinernen Kästchen

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