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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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aus, auf dem das Buch gelegen hatte. Es war eine Truhe. Er tastete sie einmal ringsherum ab und fand sie unverschlossen.
    Die Scharniere quietschten beim Öffnen. Mit den Fingern suchte er das Innere ab und stieß auf Münzen von unverkennbarem Gewicht. In der Truhe befand sich genug Gold, um ein lornisches Schloss zu kaufen.
    Nachdem er die Truhe wieder geschlossen hatte, richtete er sich auf und versuchte in Gedanken alles zu ordnen. Nora hatte sich an einen äußerst wohlhabenden Nicht-Akademiker gebunden, einen, der einen schlafenden Jungen im Speicherturm sehen wollte, und zwar von dem Moment an, als man Nicodemus zum Kakographen erklärt hatte. Das ließ zwar darauf schließen, dass Nicodemus der Gesuchte war, aber als Beweis genügte es nicht.
    Desgleichen wusste Shannon, dass Noras Meister entweder ein spirischer Edelmann war oder zumindest vorgegeben hatte einer zu sein.
    Er stockte. Der einzige Junge aus dem Speicherturm, der spirischem Adel entstammte, war Nicodmus.
    Zwar bewies auch das noch nicht endgültig, dass es der Zugang zu Nicodemus war, den Nora sich hatte entgelten lassen, aber machte es doch sehr wahrscheinlich. Und wenn sich die Akademie nun geirrt hatte, und Nicodemus wirklich mit der Prophezeiung des Erasmus in Verbindung stand …
    »Der Himmel möge uns beistehen«, sagte Shannon leise und wandte sich zum Gehen, doch sein Instinkt ließ ihn mitten in der Bewegung erstarren.
    Wie zuvor erschienen die Regalreihen mit Zauberbüchern vor seinen magischen Augen wie eine Wand aus buntem Licht, während der Rest in Dunkelheit versank. Azure hatte ihn nicht gewarnt, noch hatte er irgendetwas Ungewöhnliches gehört. Dennoch wusste er, dass da irgendetwas war.
    »Wer ist da?«, flüsterte er.
    Zunächst war es nur die Stille, die ihm antwortete. Doch dann hörte er, wie jemand langsam Luft holte und mit Knisterstimme sagte: »Schreibt ja keinen Satz«, und nach einem erneuten Luftholen krächzte es weiter, »sonst werdet Ihr an Euren eigenen Worten ersticken.«
     
    Shannon verharrte reglos. Noras Forschungstagebuch hielt er noch immer in den Händen.
    »Legt das Buch ab«, sagte die Stimme, »langsam.«
    Gehorsam bückte sich Shannon, doch ehe er den Kodex ablegte, ließ er ihn aus den Händen gleiten, so dass er nur noch den Buchdeckel zu fassen hatte. Dann erst legte er das Buch auf den Boden. »Ihr seid Noras Mörder?«, fragte er und richtete sich auf.
    »Das Miststück hat sich selbst das Leben genommen, bevor ich die Gelegenheit dazu hatte.« Ein Grunzen. »Das passiert mir immer wieder. Ich habe meinen Meister getötet, ohne dass er mir den Namen des Jungen verraten hat. Diesen Fehler werde ich bei Euch nicht noch einmal machen.«
    Shannon versuchte zu erspüren, woher die Stimme kam. »Euer Meister war der Edelmann, der dafür bezahlt hat, einen schlafenden Kakographen zu sehen?«
    Wieder war ein pfeifendes Einatmen zu vernehmen, gefolgt von einem kurzen, freudlosen Lachen. »Hat das alte Scheusal den Smaragd also aufgeladen, während der Junge schlief ? Ja, er hatte eine Übereinkunft mit Magistra Finn. Eine Übereinkunft, die sie mit mir nicht erneuern wollte … aus Zimperlichkeit.«
    Shannon kniff die Augen zusammen. Das Echo im Raum machte es ihm schwer, den Standort des Mörders auszumachen. »Zimperlich, weil Ihr kein Mensch seid?«
    »Woran habt Ihr das erkannt?«
    »Ihr atmet nur zum Sprechen ein«, entgegnete Shannon so gefasst wie möglich. »Uns würde das schwer fallen.«
    Das Wesen lachte. »Für Euren Scharfsinn muss ich Euch loben, Magister. Ich bin kein Mensch, genau so wenig wie es mein Meister war. Auch wenn er Euresgleichen täuschen konnte.«
    »Eure Tarnung ist beeindruckend. Welche Seite hat Euch geschrieben?«
    Das Wesen lachte noch lauter. »Vielleicht habe ich Euren Scharfsinn zu früh gelobt. Weder bin ich ein Geschöpf, noch kümmern mich die Streitigkeiten unter den Zauberern.«
    »Dann seid Ihr ein Dämon?«
    »Auch kein Dämon, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Wichtig ist jetzt nur, wer Ihr seid. Ich vermute, Ihr seid Magister Agwu Shannon, Hausvater des Speicherturms. In diesem Fall habe ich Euch ein Angebot zu machen.«
    »Ich bin Magister Shannon«, antwortete dieser bedächtig. »Und ich fürchte, ich teile Noras Zimperlichkeit.«
    »Mir ist es lieber, der Junge bleibt am Leben«, krächzte die Stimme. »Je stärker er ist, desto mehr habe ich vom Smaragd. Ich verrate Euch das, damit Ihr begreift wie … einträglich es für Euch wäre, sich mit mir

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