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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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Flammenflugparagraphen über seinen Schreibtisch. Sobald es hell genug war, lockte er Azure auf seine Schulter. Dann lenkte er Azures Augen auf das seltsame Ding aus Noras Bibliothek.
    Im ersten Moment begriff er nicht so recht, was er dort vor sich hatte.
    Es lag auf seinem Schreibtisch und war in die Überreste eines weißen Ärmels gehüllt. Er hatte es wohl mit dem Magnuszauber abgeschlagen.
    Langsam, zögerlich drehte er das Ding herum.
    Kurz über dem Ellenbogen war es abgetrennt worden. Blut war keines da. Die gekrümmten Finger waren makellos bis hin zu den Haaren am Daumen.
    »Der Himmel stehe uns bei«, flüsterte Shannon entsetzt. »Die Tage der Prophezeiung stehen vor der Tür!«
    Stellenweise schien es aus bleicher Haut zu bestehen. Aber vor seinen Augen noch verwandelte es sich in dunklen Ton.
    Abgesehen davon war das Ding eine getreue Nachbildung eines abgetrennten Männerarms.

Kapitel 9
    Nicodemus nahm noch die letzten Stufen und stand schließlich atemlos vor einer Turmtür. Sie glich vollkommen der, die er vergangene Nacht in seinem Traum gesehen hatte.
    Wider Erwarten war der Tag nicht voller Fehden und Gefahren gewesen, sondern hatte sich schleppend dahingezogen, angefüllt mit sinnlosen Tätigkeiten für Magister Shannons Forschungsprojekt. Gerade noch hatte er in aller Eile sein Abendessen hinuntergeschlungen, um noch einen Blick auf den Sonnenuntergang zu erhaschen, dessen Bild ihm im Schlaf erschienen war. Es war ein seltsamer Traum gewesen – einer, der nach dem Erwachen nicht verblasste, sondern sich immer lebhafter ins Bewusstsein drängte.
    Er öffnete die Tür und eine schmale Steinbrücke kam zum Vorschein, dahinter erhob sich der Erasmusturm. Die Sonne hatte ihn in zinnoberrotes Licht getaucht.
    Lächelnd trat Nicodemus hinaus; endlich hätte er Zeit, auf der Brücke zu sitzen und seinen Ritterroman zu lesen, der unter seinem Arm klemmte. Im Westen kam eine warme Brise auf.
    Starhaven war halb ins Pinnacle-Gebirge hineingebaut. Mit ihren mit Zinnen besetzten Mauern und dem massiven Torhaus mutete die Festung von weitem wie ein mächtiges lornisches Schloss an. Doch im Gegensatz zu einem Schloss hatte Starhaven gleich ein ganzes Heer von Türmen aufzubieten, einer höher als der andere. Und der imposanteste von allen, der Erasmusturm, war so hoch, das man von seiner Spitze aus sogar auf das Pinnacle-Gebirge hinabblicken konnte.
    Doch selbst da, wo Nicodemus sich gerade befand, auf halber Höhe eines der kleineren Türme, konnte man meilenweit sehen. Die gelbbraunen Felder der kleinen Höfe sprenkelten die Landschaft ringsum.Jenseits der Siedlungen erstreckte sich die üppige Eichen-Savanne, so weit das Auge reichte.
    Wegen des schönen Ausblicks war die Brücke der ideale Ort für Nicodemus, um zu lesen und zu träumen.
    Wieder umspielte ein Lächeln seine Lippen, als er den Ritterroman aufschlug und das vertraute Rascheln der Seiten vernahm. Der Duft seiner Kindheit stieg aus ihnen empor.
    Nicodemus’ Lächeln wurde wehmütig. Am liebsten würde er den ganzen Abend hier auf der Brücke verbringen. Über Starhaven hinweg sah er nach Osten zu dem verlassenen Chthonischen Viertel. Schon jetzt begann sich der Abendhimmel über den flachen Turmhelmen mit Fledermäusen zu füllen.
    Nur vereinzelten Sonnenstrahlen gelang es, sich einen Weg durch die unzähligen Türme von Starhaven zu bahnen. Die meisten dieser Lichtbalken landeten auf den Bergen, aber just in diesem Moment fiel einer auf die Spindle-Brücke, die sich zwischen Festung und Felswand spannte.
    Alle anderen Brücken in Starhaven zeugten von der filigranen Steinmetzarbeit der Chthonen. Aber die Spindle war so dick und rundlich wie der Ast eines gewaltigen Baums. Nicodemus beugte sich neugierig vor.
    Selbst aus dieser Entfernung konnte er noch die Verzierungen ausmachen, die die Chthonen in den Fels geschlagen hatten. Linker Hand hatten die Konturen die Form von Efeublättern; rechts fanden sich geometrische Muster: drei aufeinandergestapelte gedrungene Sechsecke, die von zwei länglichen flankiert wurden.
    Seufzend blickte Nicodemus auf sein Buch.
    Doch da war kein Buch mehr.
    In seinen Händen lag ein blutiger Klumpen Ton.
    Mit einem Aufschrei ließ er die feuchte Masse fallen. Platschend landete sie auf dem Kopfsteinpflaster. Nicodemus versuchte einen Schritt zurückzutreten, doch die Beine wollten ihm genauso wenig gehorchen wie die Arme. Der Ton und das Blut wurden immer dunkler, bis sie schließlich so schwarz waren wie der

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