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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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ordentlich bezeichnen. Die Jungen drängten sich um die Fenster. Manche brüllten irgendetwas einer anderen Klasse im Nachbarturm zu, die offenbar auch unbeaufsichtigt war. Andere spuckten aus dem Fenster, versuchten die schlafenden Wasserspeier mehrere Stockwerke darunter zu treffen.
    Die Mädchen hatten sich auf der gegenüberliegenden Seite des Klassenzimmers versammelt. Die meisten von ihnen saßen lachend und schwatzend auf den Tischen. Ein paar spielten ein Spiel, bei dem gesungen und geklatscht wurde.
    »Oh …«, hörte Nicodemus sich sagen, »… verflucht.«
    Auf einmal verstummten alle. Und ein, zwei Dutzend kindliche Gesichter drehten sich zu ihm um.
    In diesem Moment wurde Nicodemusm klar, dass er sich geirrt hatte. Nicht Shannon war derjenige, der sich mit dem wirklich Furchteinflößenden herumzuschlagen hatte. Der Schrecken, den Wächter und Mörder zu verbreiten vermochten – ganz gleich wie groß –, war nichts im Vergleich zu der Angst, die zwei Dutzend vorpubertäre Schüler auslösten.
    »Ihr seid aber nicht Magister Shannon«, sagte ein blasser Junge mit braunem Zottelhaar.
    Das war Nicodemus gewiss nicht. Der alte Mann wäre hereinmarschiert gekommen, hätte Witze gerissen und Kommandos gegeben. Bei ihm wären die Kleinen schon von sich aus auf die Plätze geflitzt.
    »Ich bin Nicodemus Weal«, verkündete er mit einem Selbstbewusstsein, das gar nicht echt war. »Der Lehrling von Magister Shannon. Ich werde euch in die Kompositionslehre einführen, bitte setzt euch.«
    Zu Nicodemus’ Überraschung kehrten die Neophyten an ihre Tische zurück. Der Junge mit der braunen Mähne hob die Hand. Als Nicodemus ihm zunickte, fragte er: »Warum haben wir nicht Magister Shannon? Wo sind denn die Zauberer alle?«
    Scheu räusperte sich Nicodemus. »Magister Shannon nimmt, wie die anderen Zauberer, an einem wichtigen Rat teil.«
    »Habt Ihr von ihm die Neuigkeiten aus dem Norden erfahren?«,fragte ein hoch aufgeschossenes Mädchen mit kurzem, schwarzem Haar.
    Nicodemus wollte gerade antworten, da fiel ihm ein, dass er ja nicht wusste, wie viel er von seinem Wissen preisgeben durfte. Er holte tief Luft und sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es euch sagen darf.«
    »Vielleicht wisst Ihr auch gar nichts«, sagte der braunhaarige Junge und klang dabei so aufrichtig, dass es seinen Worten die Schärfe nahm.
    »Vielleicht hast du recht«, räumte Nicodemus ein. »Aber du sprichst damit einen wichtigen Punkt an. Ich habe ja gar nicht gesagt, dass mir die Neuigkeiten wirklich bekannt sind. Meine Antwort legt es nahe, aber mehr nicht.«
    Der Junge runzelte die Stirn.
    »Das mag euch banal erscheinen, aber es ist ein guter Ausgangspunkt, wenn wir übers Zauberschreiben sprechen wollen. Könnt ihr euch vorstellen warum?«
    Schweigen. Stirnrunzeln.
    »Warum sollte ich Worte wählen, die den Anschein erwecken, dass ich mehr weiß, als ich wissen kann? Warum sollte ich solch wichtigtuerische Reden schwingen?«
    »Weil du sonst kein richtiger Lehrer bist?«, fragte der braunhaarige Junge abfällig.
    Auch wenn Nicodemus vor Verlegenheit rot wurde, lachte er. Ein paar Schüler lächelten ebenfalls.
    »Vielleicht«, gab er zu. »Ich habe eher daran gedacht, dass eine solche Sprache eure Aufmerksamkeit von den Nachrichten ablenkt und ihr stattdessen über mich nachdenkt, womit ihr zumindest beim Unterricht seid. Wie dem auch sei, ihr müsst euch in Zukunft über diese Dinge Gedanken machen. Wenn ihr Zauberer werden wollt, müsst ihr euch fragen, wie Sprache euch zu beeinflussen versucht. Welche Annahmen legt sie euch nahe? Wie lenkt sie euch ab?«
    Abermals hob der Junge die Hand.
    Diesmal grinste Nicodemus ihn an. »Nimm die Hand runter, mein Junge. Ich werde dir nicht verraten, ob ich tatsächlich über dieNeuigkeiten Bescheid weiß. Das wäre doch deine nächste Frage gewesen, nicht wahr?«
    Der Junge nickte.
    »Ausgezeichnet. Beharrlichkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines Zauberschreibers. Wie heißt du?«
    »Derrick, Magister.«
    Nicodemus riss überrascht die Augen auf. »Derrick Magister. Du bist bereits ein Zauberer?« Ein paar Schüler brachen in Gelächter aus.
    »Ich meinte doch Euch, Magister«, sagte Derrick hitzig.
    »Nun, ich fühle mich geschmeichelt, Derrick. Aber wie schon gesagt, bin ich bislang nur ein Lehrling.« Er wandte sich an die Klasse. »Das mag schrecklich für euch sein, aber heute werdet ihr einen über Zwanzigjährigen bei seinem Vornamen nennen müssen!«
    Er erntete ein

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