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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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Kyran stand sie in einem verlassenen chthonischen Gang – einem düsteren Ort mit Schieferböden, rissigem dunkelblauem Putz und einer Decke, die wie ein Wurzelballen oder Felsbrocken anmutete. Staub von Jahrhunderten lag auf allem.
    Die Strahlen der Herbstsonne fielen schräg durch die vergitterten Fenster herein und verliehen den träge dahintreibenden Staubwolken Glanz. Eine Hand durchschnitt die kühle Luft und brachte ein paarhelle Fleckchen zum Tanzen. Kyrans Leib hingegen wirbelte gleich einen ganzen Malstrom sonnenbeschienenen Drecks auf.
    »Shannon hat diesen habichtköpfigen Wasserspeier dazu benutzt, um die Zauberer aus dem Norden an der Nase herumzuführen«, sagte Deidre. »Diese Einfallspinsel rasen jetzt zurück nach unten. Ky, geh und folge ihnen. Ich möchte wissen, ob sie seine List melden.«
    »Ich sollte dich nicht alleine lassen.«
    Sie wandte sich zu ihrem Protektor um. Obgleich er leicht gebückt auf seinen Stock gelehnt stand, musste er immer noch den Kopf eigentümlich schief legen, um nicht an die Decke zu stoßen. Dadurch wirkte er wie ein Riese.
    »Müssen wir uns schon wieder darum streiten?«, fragte sie lächelnd. »Du weißt doch, dass ich immer gewinne.«
    »Weil du nie um das streitest, was wirklich zählt.«
    »Ky, nicht jetzt. Ich möchte, dass du die Zauberer im Auge behältst.«
    »Hier ist weit und breit niemand. Nicht einmal die Schwarzroben kommen hierher.«
    Ihr Lächeln erlosch.
    Wütend funkelte er sie mit seinen dunklen Augen an. Dann nickte er mit kaum hörbaren Grunzen. Mit einem Satz war er am Gitterfenster. Das Sonnenlicht ließ sein Haar golden glänzen und verlieh seiner Robe ein eigenartiges Schimmern. Kyran sah die vier Wächter die Steinterrasse hinuntereilen; er entfernte sich mit schnellen Schritten, dabei schlug sein Wanderstab über den Steinboden.
    Deidre schaute erneut zum Fenster hinaus. Shannon und Nicodemus erklommen die steilen Stufen zwischen Mauer und Turm. Um sie im Blick zu behalten, würde sie noch ein paar Geschosse höher klettern müssen. Sie machte sich in entgegengesetzer Richtung auf.
    Zum ersten Mal ärgerte sie sich nicht über ihren kleinen Wuchs. Sie brauchte nicht den Kopf einzuziehen, wenn sie durch einen der chthonischen Eingänge trat, und ihre kleinen Füße rutschten auch nicht auf den kurzen Stufen aus.
    Ein Taubenschwarm schoss an einem der umliegenden Fenster vorbei. Deirdre ertappte sich bei dem Gedanken an Shannon. WarNicodemus’ Vertrauen in den alten Zauberer gerechtfertigt? Sollte sie sich ihm anvertrauen? Diese Fragen beschäftigten sie so sehr, dass sie die Schritte erst bemerkte, nachdem sie schon einmal um den Turm herumgegangen war und bereits die nächsten Stufen nahm.
    Sie war schon fast am Ende der Treppe angelangt, da blieb sie stehen. Die Schritte verstummten ebenfalls. »Ky«, rief sie, »du solltest den Wächtern folgen und nicht wie eine Glucke hinter mir hersteigen.«
    Schweigen. Doch dann kehrten die Schritte zurück, diesmal sprinteten sie.
    Deidres Herz begann wie wild zu klopfen. Die Zauberer hatten ihr nicht erlaubt, eine Klinge zu tragen. Instinktiv suchte sie ihre Umgebung nach einer Waffe ab, ihr Blick fiel auf die Querstäbe, die die Chthonen in ihre Fenster eingelassen hatten. Hastig packte sie zwei der mit dem Fensterrahmen festverbundenen Stangen.
    Kein Sterblicher hätte sie herausreißen können, doch Deidre stemmte nur einen Fuß gegen die Wand und zog kräftig. Wölkchen aus pulverisiertem Stein stoben auf, als die Stäbe aus den Rahmen barsten.
    Inzwischen wurden die Schritte lauter. Deidre nahm eine geduckte Haltung an und hielt die beiden Stangen in spirischer Kampfmanier. Die Gestalt, die die Treppen hinaufgerannt kam, trug einen zerlumpten weißen Umhang – mehr ein hastig zusammengeflicktes Laken als ein ordentliches Kleidungsstück. Eine bauschende Kapuze verhüllte das Gesicht.
    Als Deidre ihre primitiven Waffen zum Kampf erhob, huschte das Wesen an ihr vorbei durch einen breiten Streifen Sonnenlicht. Der Gegenstand, der aus seiner Hand ragte, loderte im Widerschein der Sonne und blendete sie so stark, dass sie erst, als das Wesen ein paar Schritte entfernt war, den stählernen Gegenstand als antikes lornisches Langschwert erkannte.
     
    »Hör mir gut zu«, sagte Shannon und betrat die Mauerkrone am Ende des Sataal-Plateaus. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    Azure saß auf seiner Schulter und lieh ihm ihre Augen.
    »Natürlich, Magis …«
    Vor ihnen ihnen ging es fast siebzig Fuß in

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