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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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Niels’ Computerspielen, darin kommt die Brücke vor, Markus. Ich weiß aber nicht, ob er das Spiel mitgenommen hat.«
    Als ich mich umwandte, um nach oben zu gehen, stand unter dem Tisch der Hund von seiner Decke auf und trottete mit mir mit, als hätte ich ihn gerufen.
    »Knutschi liebt dich!«, lachte Cat, und in mir stieg die alte Familienbeklommenheit auf.
    Ein Schild mit der Aufschrift DANGER – DÉFENSE D’ENTRER war an der Zimmertür befestigt, und dahinter hörte man abwechselnd Gelächter und Unmutsbekundungen, doch mein Klopfen und Rufen blieb ohne Reaktion. Jesse antwortete nicht. Schließlich tröstete ich mich mit der Vorstellung, dass die beiden wahrscheinlich mit Kopfhörern vor einem oder mehreren Bildschirmen saßen, und ging, gefolgt von dem Hund, durch den schummrig beleuchteten Flur in mein Zimmer.
    Ich stellte den Rucksack ab und setzte mich aufs Bett. Carlo blieb in der Tür stehen, sah sich um und kam dann vorsichtig, ohne mich aus den Augen zu lassen, herein. Das Gesicht zum Fenster erhoben, blieb er vor mir stehen, rückte näher und noch ein Stück näher und setzte sich endlich in Reichweite, damit ich ihn kraulte. Sein Fell war drahtig und kühl, an einigen Stellen fuhr ich durch Reste von Nässe, und Carlo zuckte, bei jeder neuen Bewegung meiner Finger lief ihm ein Schauder über den Rücken.
    »Einen ganz schönen Blumenvasengeruch verströmst du, lieber Freund«, sagte ich leise und bekam dafür seinen Kopf in den Schoß gebohrt. Er röchelte und schnaubte zwischen meinen Oberschenkeln.
    »Ja, das find ich auch. Vielleicht solltest du das mal deinem Herrchen sagen. Wo steckt der eigentlich, hm? Sollte es möglich sein, dass Ove Juhl sich unsichtbar machen kann?« Carlo drängte die Schnauze in meine Kniekehle. »Aha. Hab ich’s mir doch gedacht. Du weißt also Bescheid. Weil du’s bei deinem Herrchen schon oft gesehen hast, weißt du, wie es geht. Ich sag dir was. Ich kraule dich an deiner Lieblingsstelle, und du verrätst mir dafür, wie man sich auflöst und verschwindet. Okay?«
    Ich massierte ihm die Ohren, und er verging dabei fast vor Wonne. Ein paarmal knickten ihm die Vorderläufe ein, dann hielt ich inne, worauf sofort sein Kopf zwischen meinen Beinen hervortauchte. Carlo sah mich an, aus dunklen, goldbraun umränderten Pupillen. Er ließ mich darin lesen, und ich bewunderte seine seidigen, buschigen, nachtschwarzen Augenbrauen.
    Maybritt begleitete uns durch den auf der Seeseite gelegenen Hotelgarten bis zu einer schmiedeeisernen Pforte in der Mauer. Dort blieb sie mit Carlo stehen und zeigte mir den Pfad hinunter zum Strand. Sie winkte noch, dann war sie nicht mehr zu sehen, und Cat und ich liefen allein weiter, ohne uns noch mal umzudrehen.
    Es war nicht mehr sehr hell, doch der Weg über den grasbewachsenen Steilhang hinunter zum Meer war aus fast weißem Sand und ließ sich in der beginnenden Dämmerung gut erkennen. Ich ging voraus. Weil es kaum noch regnete, klappte ich die Kapuze zurück und sah, dass Cat es mir nachmachte.
    »Uh, ist das laut!«, schrie sie, als wir schon fast am Fuß des Schlängelpfads angekommen waren. Die Brandung kam viel höher herein als noch am Vormittag bei Arromanches. Wogen rollten über die aus dem Wasser ragenden Felsen, barsten und sprühten ihre Gischt als Wasserstaub über den Strand. Möwen stoben darüber hin, schreiend beäugten sie uns, ob wir nicht etwas Fressbares hatten, das wir ihnen überlassen konnten.
    Als wir zur Wasserlinie kamen und über Steine, Muschelscherben und Tangreste liefen, fragte ich Cat nach dem Weg zum Vogelschutzgebiet, und sie wies nach rechts, ostwärts. Irgendwo gehe da ein Treppenweg rauf durch die Sandberge, rief sie, und auch ein Schild gebe es da.
    »Aber Ove und Margo sind bestimmt schon auf dem Rückweg. Sie wollen ja die Grus nicht stören, wenn die nach Hause kommen.«
    Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich je mit einem so kleinen Mädchen ein ernstes Gespräch geführt hatte.
    »Grus? Sind das Vögel?«
    Sie lachte mich aus. »Natürlich sind Grus Vögel! Große. Deshalb heißen sie ja so. Oder weil sie ganz grau sind. Oder weil sie das manchmal rufen.«
    »Du meinst, Grus rufen ›grus‹?«
    »Ja, genau. ›Grus, grus!‹, rufen sie. Und sie tanzen. Ach ja, und sie trompeten auch.«
    Kraniche tanzten, und Kraniche trompeteten auch. Aber gab es in der Normandie Kraniche, Grus-Kraniche? Auf einem Sandfeld voller schwärzlicher Kiesel tanzte mir Cat den Tanz der Grus vor. Zum Tosen der

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