Nie mehr ohne deine Küsse
ihm zu denken. Es hatte ihr Spaß gemacht, ein wenig zu träumen und sich Dinge auszumalen. Aber die letzte Nacht hatte zweifellos bewiesen, dass sie nicht einmal an solche Dinge zu denken brauchte.
„Lily, mein Liebes, ich glaube, die Trense ist jetzt sauber.“ Rays Stimme durchbrach ihre Gedanken. „Ich weiß deine Sorgfalt aber zu schätzen.“
Betroffen sah Lily auf die Trense in ihrem Schoß, die sie weiß Gott wie lange poliert haben musste. Verlegen lächelte sie den Stallmanager an.
„Tut mir leid, Ray. Ich bin heute nicht ganz bei der Sache.“
„Was macht dein Kopf?“
In ihrem Kopf ging es drunter und drüber, aber das wollte Ray sicher nicht wissen. Darum nickte sie bloß.
„Ich habe eine kleine Prellung, das ist alles. Mein Bein tut allerdings immer noch weh.“
Tatsächlich taten ihr beide Beine nach dem Ritt ohne Sattel letzte Nacht furchtbar weh. Aber das würde sie Ray nicht auf die Nase binden.
„Möchtest du dir heute lieber freinehmen?“
„Nein, ist schon in Ordnung“, versicherte sie ihm. „Der Wetterumschwung bringt mich bloß etwas durcheinander. Dabei liebe ich doch den Herbst.“
Ihre Antwort schien Ray zufriedenzustellen, und so widmete Lily sich wieder ihren Aufgaben und zwang sich, nicht mehr daran zu denken, was sie letzte Nacht gemacht hatte.
Doch es funktionierte nicht.
An manchen Tagen blieb man besser gleich im Bett. Es war noch nicht einmal Mittag, und der Tag war für Ethan bereits gelaufen. Entnervt klappte er seinen Laptop zusammen, bevor er anfing, Mails zu schreiben, die er später noch bereuen würde. Am besten stellte er auch gleich noch sein Telefon aus, um auf Nummer sicher zu gehen.
Er hatte zwar das Temperament seines Vaters geerbt, aber er war wenigstens in der Lage, es zu kontrollieren. Oder zumindest nicht zuzulassen, dass sein Temperament ihn kontrollierte.
Und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er eine Pause einlegen musste. Joyce war schließlich mehr als seine Assistentin. Es wäre überhaupt kein Problem für sie, ein paar seiner Aufgaben zu übernehmen, ohne dass er sie dabei ständig kontrollieren musste. Sie war in der Lage, Multimillionendollarprojekte zu verwalten, ohne dass auch nur ein Cent verloren ging. Und wahrscheinlich wäre sie sogar froh, wenn Ethan sie machen ließe, ohne sich einzumischen.
Sein Großvater hingegen bestand darauf, dass die Familienmitglieder sich höchstpersönlich um die wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten kümmerten. Während es an Marshalls nicht mangelte, war die Anzahl derer, die für diese Art von Aufgaben geeignet waren oder gewillt waren, sie zu übernehmen, erschreckend gering. Das war noch ein guter Grund, um sich zu ärgern. Entschieden stieß er den Stuhl vom Schreibtisch zurück und stand auf.
Natürlich war ein Teil seiner schlechten Laune darauf zurückzuführen, dass er bereits miesepetrig und frustriert aufgewacht war. Wegen Lily. Wobei es im Grunde seine eigene Schuld war. Schließlich konnte sie nichts dafür, dass sie wieder in seinen Träumen aufgetaucht war.
Der Gedanke an sie führte dazu, dass sein durch den Ärger ohnehin schon hoher Blutdruck jetzt auch noch dafür sorgte, dass all sein Blut direkt in seinen Schoß zu fließen schien.
Am liebsten wäre er jetzt zu Lily in den Stall gegangen. Aber dann würde er sie nur wieder bei der Arbeit stören. Und schließlich musste er eigentlich auch arbeiten.
Glorias Stimme drang durch die Sprechanlage und teilte ihm mit, dass das Mittagessen fertig sei. Welch willkommene Abwechslung!
Seine Großeltern saßen bereits im Tisch.
„Da bist du ja, mein Junge. Ich habe dich den ganzen Morgen noch nicht gesehen.“
Ethan beugte sich herunter, um seiner Großmutter einen Kuss auf die Wange zu drücken.
„Ich hatte heute Morgen wahnsinnig viel Arbeit zu erledigen.“
„Es ist aber gar nicht gesund, sich den ganzen Tag im Büro zu vergraben“, mahnte sie. „Ich hatte gehofft, du würdest mehr Zeit draußen an der frischen Luft und in der Sonne verbringen. Das gute Wetter wird sich nicht mehr lange halten.“
Wenn es nach seiner Großmutter ginge, wäre er immer noch vierzehn. Manchmal war das ganz lieb von ihr, vor allem, wenn sie seine Wange streichelte.
„Glaub mir, es gibt tausend Dinge, die ich heute Morgen lieber getan hätte, als im Büro zu sitzen.“ Das war eine glatte Untertreibung. „Aber wenn die Pflicht ruft, kann man nichts machen.“
Sein Großvater sah auf und legte seine Gabel zur Seite. „Apropos
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