Nie wieder Ferienhaus
Liegen – die Überreste eines Fahrrads gefunden. Ein verrostetes Etwas, das ehemals ein schmuckes Hollandrad gewesen sein musste, »ehemals« hieß aber in diesem Zusammenhang vor mindestens zwanzig Jahren.
Er bot ein groteskes Bild, oder zumindest kam es mir so vor, wie er da mit dem Fahrradrahmen um den Hals auf unser Feld marschierte. Das Fahrrad oder das, was von ihm übrig war, war mal eine Gazelle Impala gewesen, der Gesundheitslenker war noch intakt, ein Pedal fehlte, das Vorderrad hatte nicht nureine Acht, es hatte eine Achtundachtzig, das Hinterrad hatte einen Platten, und ein Sattel war gar nicht mehr vorhanden. Irgendjemand hatte in grauer Vorzeit eine Restaurierung oder besser eine Modernisierung versucht, der Rahmen war nicht, wie es bei alten Hollandrädern typisch war, schwarz, sondern lila. Es sah schrecklich aus.
»Was willst du denn mit dem Schrottgerät?«
Norbert war fast ein bisschen beleidigt. »Schrottgerät? Gazelle Impala!, das war einmal die Krone der Fahrradschöpfung. Schau dir das an, das sind keine Handbremsen, das ist ein Metallbügel, den man von beiden Seiten des Lenkers ziehen kann, und das Bremsgestänge, das führt zur Trommelbremse im Vorderrad, also, wenn ein Vorderrad vorhanden ist. Eine Trommelbremse! Schon damals! Da hatte mein Schulfahrrad noch einen Gummibremsbelag, der einfach auf den Schlauch gedrückt wurde. Oder sieh dir das hier an! Das ist eine Sturmy-Archer-Dreigangschaltung, und hier, der Kettenschutz ist noch aus Metall, da fehlt nur oben die Chromleiste.«
»Norbert, an dem Fahrrad fehlt so ziemlich alles!«
»Quatsch, dieses Rad hat eine wunderbare Substanz. Ich bin sowieso nicht der Typ, der sich drei Wochen lang in die Sonne legen kann. Und Josie wird sauer, wenn ich noch mal drei Wochen lang mit der Angel durch Walcheren ziehe. Nein, wenn ich drei Wochen lang in unmittelbarer Nähe unseres Wohnwagens ein Fahrrad restauriere, dann kommt das meinem Eheleben bestimmt zugute.«
»Wo willst du denn zum Beispiel das fehlende Originalvorderrad mit Trommelbremse herkriegen?«
»Entweder vom Metallmüll, da liegt jeden Tag ein anderes halbes Fahrrad rum, oder von Jan Wagemakers, das ist der Fahrradhändler im Dorf, und der führt Gazelle, der besorgt mir bestimmt alles, was ich brauche! Ich werde in diesem Urlaub aus dieser hervorragenden Substanz ein Fahrrad bauen. Und damit ihr es von vornherein wisst, nach unserem Urlaub wird Josie mit Sebastian und Vanessa alleine im Auto nach Hause fahren. Ich fahre mit diesem Fahrrad zurück nach Stolberg.«
In gewissem Sinne hatte Norbert Recht. Es fiel immer wieder auf, dass man in Walcheren kein Auto brauchte.
Man brauchte ein Fahrrad. Vor allem dann, wenn man schon einen Fahrradständer hatte. Mit dem Auto wurde man ständig benachteiligt. Mit dem Fahrrad konnte man bis fast an den Strand fahren, und es kostete nichts. Mit dem Auto musste man die letzten vierhundert Meter laufen, und es kostete zwei Euro. Mit dem Auto bekam man im Dorf keinen Parkplatz, aber Fahrradständer gab es an jeder Straßenecke. Aber das Schlimmste ist: Auf viel befahrenen Landstraßen kann man mit dem Auto nicht links abbiegen.
Da fahren Fahrräder, da steht man und steht und steht, bis die Räder viereckig sind. Wenn man ganz schlau ist, dann sucht man sich eine Stelle zum Abbiegen, wo eine Linksabbiegerampel installiert ist. Da bekommen die Radfahrer irgendwann Rot. Aber das interessiert die nicht! Da bekommst du Grün, aberlinks fahren Fahrräder, da steht man und steht, aber das habe ich ja schon erwähnt.
Ich habe wirklich darüber nachgedacht, ob es Sinn macht, sich ein kleines Stöckchen patentieren zu lassen, das man im Handschuhfach aufbewahrt.
Da muss man dann nur mit der rechten Hand das Handschuhfach öffnen und das Stöckchen rausnehmen, während man mit der linken Hand das Fenster in der Fahrertür runterlässt.
Dann wechselt man das Stöckchen von der rechten in die linke Hand, und während man sich unauffällig mit dem Beifahrer unterhält, wirft man es »schwupp«…
Man muss nur ein einziges Vorderrad treffen, und zwar so, dass sich das Stöckchen zwischen Speichen und Gabel verhakt, nur ein einziges Vorderrad.
Alles andere erledigt sich von selbst. Die fallen übereinander und untereinander, und hinten im Auto sitzen die Kinder und rufen: »Domino Day!«
Ich habe das mit dem Patent gelassen. Ich fürchte nämlich, das könnte genau die Situation sein, in der der Holländer als solcher einfach gar keinen Spaß mehr
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