Nie wieder Ferienhaus
erwiesen sich zwei mögliche Fluchtwege als besonders frequentiert. Der größere Strom zog in Richtung Fahrradständer, um den Weg ins heimische Ferienhaus oder Vorzelt anzutreten, ein kleinerer verlief Richtung Zeerover , um dem Strandnachmittag noch einen gebührenden Abschluss zu gewähren.
Entsprechend gut gefüllt waren die Tische, wir hatten Glück, dass ein gestrenger Vater gerade seine Familienmitglieder anwies, Windschutz, Rucksack, sämtliche Eimer und Schüppen aufzuklauben, um den geregelten Rückzug anzutreten. So konnten wir einen Vierertisch direkt am Fenster erben.
Die Nordsee war zwar nur ein wenig rauer geworden,nur ab und zu kräuselten sich weiße Schaumkronen an den Wellenspitzen, aber der Wind blies doch eine Menge laute Regentropfen gegen die Scheiben.
Ich ließ den Blick durch den Innenraum der Kneipe wandern. Das, was von außen ein Pfahlbau war, war es von innen zum Glück auch.
Hier hatte kein Innenarchitekt auch nur ein Bier verdient. Der Inhaber selbst hatte mit leichter Hand warmes Holz mit offen liegenden Kabeln kombiniert, er hatte aus einfachen Möbeln und Piratenfiguren, einer Kinderspielecke, einem Foto von Königin Beatrix und diversen Bierreklamen eine Komposition geschaffen, die den Biersuchenden sofort denken ließ: »Ja, so sollte mein Wohnzimmer aussehen!«
Auf Fahnen, Sonnenschirmen, Bierdeckeln und durch einen Papp-Mönch in Lebensgröße wurde der durstige Urlauber auf das belgische Trappistenbier hingewiesen, das es im Zeerover vom Fass gab: Grimbergen Double. Dazu gab es die Grimbergen-Stempelkarte. Man bekam für jedes getrunkene Glas Grimbergen einen Stempel, und wenn man zwölf Stempel zusammenhatte, erhielt man als Prämie ein Glas oder ein T-Shirt. Man konnte das Glas natürlich auch einfach klauen, aber wo bleibt da der Sportsgeist!
Ich hatte schon auf dem Campingplatz davon gehört. Jeder hatte so eine Stempelkarte! Wenn es einen Werbespot für Holland-Urlaub gäbe, dann hieß es darin nicht: »Mein Boot, mein Haus, mein Auto!«, sondern: »Mein Vorzelt, mein Wohnwagen, meine Stempelkarte«. Wenn man stolz mit einem neuen Grimbergen-Glas nach Hause kam, das brachte einemschon die bewundernden Blicke der Nachbarn ein. Es ging die Mär von Leuten, die sich ein solches Glas an einem einzigen Tag zusammengesoffen hatten.
Das kann man aber niemandem empfehlen, Grimbergen Double hat immerhin sechs Volumenprozente Alkohol. Aber das ist es nicht. Es hat irgendwas anderes. Es schmeckt einfach ein bisschen süß, aber auch ein bisschen herb, aber es wirkt irgendwie anders.
Der Regen hatte an Intensität zugenommen, doch nach dem ersten Glas fand ich es jetzt eigentlich ganz schön, so im Trockenen zu sitzen und durch die regennassen Scheiben auf den Strand und das Meer zu schauen. Nach dem zweiten Glas war ich mir sicher, dass ich immer schon im Regen am Strand sitzen wollte, und nach dem dritten Glas schien die Sonne.
Das ist der Vorteil an belgischem Bier. Die haben halt nicht unser »Deutsches Reinheitsgebot von fünfzehnhundertirgendwas«. In deutschem Bier darf ja nur Wasser, Hefe, Hopfen und Malz sein. In belgischem Bier ist Wasser, Hefe, Hopfen, Malz und ein wie auch immer gearteter Happymaker! Der Papp-Mönch lächelte auch immer so leicht abwesend, da hätte es mir eigentlich schon auffallen können.
Als wir den Zeerover verließen, hatte jedes der Kinder ein Schwert und ich sämtliche Piratenhüte aufprobiert. »Papa, du bist jetzt ein bisschen albern!« – »Nein, Papa ist nur ein bisschen betrunken!« Ich hatte die ersten drei Stempel in meiner Stempelkarte und Anne die Autoschlüssel.
Als wir am Auto waren, waren wir alle pudelnass. Die Sonne musste kübelweise auf uns runtergeschüttet sein.
Holland ohne Fiets ist nicht Holland
Der Regen hatte nachgelassen, wir kamen vom Auto trockenen Fußes zum Wohnwagen. Ich fand den Tag weiterhin Grimbergen-bedingt witzig, ich amüsierte mich über die Farbzusammenstellung eines hellgrau-rosa-lila-weißen Vorzelts, ich fand die Nummernschildkombination SU - FF zum Brüllen komisch, und dann kam Norbert. Norbert hatte mit Josie den letzten Stellplatz auf unserem Feld, direkt vor der Gracht. Norbert wohnte im normalen Leben in Stolberg, hatte eine Frisur, wie man sie sonst bei Fußballnationalspielern findet, dazu einen kleinen Schnäuzer und stramme Waden, um das Bild abzurunden.
Norbert hatte auf dem Metallmüll – dort, wo man schon mal fehlende Federn für die Campingstühle finden konnte oder halbe
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