Nie wieder Ferienhaus
nächstenDorfweiher. Wenn tatsächlich irgendein kommuneneigener Kontrolleur kommt, und nach meinen bisherigen Erfahrungen kommt der nicht, aber wenn der kommt, dann sagen sie frei heraus, dass die Angeln dem Sohnemann gehören, der drüben unter dem Ahornbaum gerade Gameboy spielt.
Aber es waren auch wirklich viele Jungs mit Angeln unterwegs. Ich habe mal in einem Garten- und Teich- und Gartenteichgeschäft ein Angebot gesehen: »Sibirische Störe, fünfzehn Zentimeter für sieben Euro!« Irgendwie konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, wie witzig das wäre, wenn man einfach mal vier sibirische Störe kaufte, um sie im Dorfteich auszusetzen. O.K., die Störe waren vielleicht nur fünfzehn Zentimeter lang, aber die konnten ja wachsen. So ein sibirischer Stör konnte bis zu drei Meter lang werden. Das stand zumindest auf dem kleinen Schild an dem Verkaufsbecken. Und im Dorfweiher würden die bestimmt zwei Meter fünfzig schaffen.
Wenn die Kids mit ihren Angeln so einen Stör erwischten, dann würden sie auf dem Dorfteich barfuß Wasserski laufen. Dieses Bild wäre mir vierzehn Euro wert gewesen, aber wahrscheinlich hätte ich mich genau zu diesem Zeitpunkt weit weg vom Dorfteich befunden.
Ich hätte mich wahnsinnig geärgert, wenn mir jemand geschildert hätte, wie der doofe Benedikt mit seiner Angel in den Weiher geflogen war und wie Heinrich Büsinger aus purer Furcht in seine Bierdose gebissen hatte, gerade als ich nicht dabei war.
Vierzehn Euro für so eine Enttäuschung! Ich habedie Störe im Becken gelassen, aber die Idee, die war schon witzig!
Tristan kam jeden Tag mit dem Wunsch, mit an den Dorfteich zu dürfen oder an den Weiher in Westhove. Aber ich wollte es nicht unterstützen, dass mein Sohn einen Fisch aus einem Teich zog, den hinterher niemand essen wollte. Ich lehne es nun mal ab, wenn nach dem Angeln der Fisch nicht verzehrt wird. Angeln, das ist eine durchaus legitime Art der Nahrungsbeschaffung, aber Karpfen fangen und sie hinterher wieder aussetzen, das ist Fisch-Piercing aus Jux und Dollerei.
An diesem Vormittag stand Tristan besonders freudestrahlend vor mir. Sebastian hatte ihm eine kleine Angel geliehen, und sie angelten nur an der Gracht direkt hinter dem Campingplatz.
Ich war beruhigt. Da konnte nun wirklich nichts passieren. In dieser Brühe konnte sich kein Fisch aufhalten. Tristan blieb in unmittelbarer Nähe unseres Wohnwagens, und Norbert war dabei. Wie sollte man da noch Nein sagen können!
Ich habe noch mit der wohnwageneigenen Kneifzange die Widerhaken vom Angelhaken entfernt, und dann durfte er los. In diesem Moment war ich einer der großartigsten Papas der Welt. Das war auch mal ein schönes Gefühl!
Sieben oder acht unentwegte Petrijünger saßen an der Gracht, als ich aus rein pädagogischen Gründen mal nachsehen musste, was der Kleine denn so alles gefangen hatte. Norbert hatte seine Angelrute in einen Angelrutenständer gestellt und ganz obenein kleines Klemmglöckchen angebracht. Der Karpfen würde somit beim Biss ein akustisches Signal abgeben. Das war auch wichtig, denn er konnte seine Augen nicht unentwegt auf den Schwimmer richten, weil er parallel noch an der Vorderradbremse seiner Impala hantierte.
Ich machte mich mit Sprüchen wie »Beißen sie? Oder sind sie ganz zahm?« oder auch »Fische, die bellen, beißen nicht!» durchaus beliebt.
Aber ich hatte Recht. Wahrscheinlich gab es keinen einzigen Fisch in dieser Gracht, und wenn es doch zwei, drei unbeirrbare gab, dann waren die sicher so schlau, sich nicht von einem angelnden Camper aus dieser entfernen zu lassen.
Jeder Angler hatte sein Eimerchen dabei, und alle Eimerchen waren leer. Ich kehrte beruhigt wieder zu Frau Leon zurück, die gerade auf dem Tischchen vor dem Vorzelt lag. »Brunetti wollte das Vaporetto nehmen. Als er hinter dem Campo San Lorenzo in eine kleine Calle abbog, nahm er den Geruch von Kloake und Urin wahr, im Norden erschienen dunkle Wolken, die ihm Grund zu der Hoffnung gaben, dass endlich wieder Regen nahte …!«
Ich führte gerade die Kaffeetasse zum Mund, als ein ohrenbetäubender Lärm mich am Weiterlesen hinderte: »Er hat einen, du hast einen Biss, hol ihn raus!«
Ich sprintete zur Gracht. Mein fünfjähriger Sohn kämpfte einen großen Kampf mit einem Fisch. Er musste riesengroß sein, also der Fisch. Die Angel bog sich unter der enormen Kraft, die dieses Flossentierentwickelte. Tristan schlug sich heldenhaft. Er ging in die Knie, er holte die Schnur ein. Bewundernde
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