Nie wieder Ferienhaus
Augenpaare begleiteten ihn. Er stand am Ufer, die Rute in der Hand, dann machte diese Bestie einen Ruck und er verlor das Gleichgewicht.
Das Gewässer war ungefähr sechzig Zentimeter tief, und da stand er nun, unbändige Freude und riesengroßen Stolz in den Augen. Norbert hatte den kapitalen Fisch, eine vielleicht zwanzig Zentimeter lange Rotfeder, herausgezogen und ich meinen Sohn.
Norbert hatte einen Fotoapparat dabei. Wir haben ein herrliches Trophäenfoto geschossen.
Also, lecker war was anderes. Vielleicht hätte man das Tier doch noch drei Jahre in einer Badewanne schwimmen lassen müssen, irgendwie schmeckte der Fisch mehr nach seiner Herkunft als nach Fisch! Aber wir haben ihn mit Todesverachtung gegessen. Auf unserem Kleinsttonnengrill zubereitet. Angeln war eine durchaus legitime Art der Nahrungsbeschaffung, aber dann musste die Nahrung auch verzehrt werden. Vielleicht war es Tristan eine Lehre. Frikandel speciaal , Pommes-Mayo, das war auch lecker, und dafür musste man keine Fische umbringen.
Tristan war stolz wie Oskar. »Papa, das war doch Klasse, kein anderer hat einen Fisch gefangen, nur ich!« – »Ja, das war toll, das hast du super gemacht!«
Ich bin mir sicher, dass ihm ein Käptn-Iglu-Fischstäbchen eigentlich besser geschmeckt hätte. Aber wenn dem so war, dann hat er es sich nicht anmerken lassen.
Mir war nicht nur der Geschmack nicht recht, irgendwieroch es auch unangenehm an unserem Tisch. Es war nicht der Fisch, es war der Sohn, der sich gesagt hatte: »An meine Haut lasse ich nur Sonne und unsere Gracht!« Er stank gotterbärmlich! Das sind die Momente, in denen man kapiert, warum die Grünen auch in Holland so erfolgreich sind. Ich weiß nicht, was sich alles in dieser Gracht befand, aber wenn man reingefallen war, dann roch man fürchterlich.
Ich bin mit Tristan zur Dusche marschiert, ich habe ihn mit Fa-Exotic-Dream dreimal abgewaschen, aber als wir wieder an unserem Platz waren, da hatte sich nicht viel geändert. Er roch immer noch nach … nein, er stank einfach!
Wir haben noch zweimal geduscht. Meine Haut fühlte sich schon langsam wie Papier an, nur mein Junge, der stank immer noch nach Gracht!
Edda fühlte sich vernachlässigt. Alle kümmerten sich nur um den großen Bruder, aber sie wollte auch was machen. Sie wollte mit ihrer neuen Freundin Ann-Kathrin schwimmen gehen.
Schwimmen gehen!
Der Swimmingpool eines Campingplatzes! Der Swimmingpool, in dem Hunderte von Kindern jeden Tag ausprobierten, ob man nicht mit einer Arschbombe die an den Rändern sitzenden Eltern ärgern konnte, der Swimmingpool, in dem die großen Jungs nur deshalb nicht vom Dreimeterbrett ins Wasser pinkelten, weil kein Dreimeterbrett da war, dieser Swimmingpool musste doch eine Chlorkonzentration aufweisen, die auch den übelsten Geruch von der Kaffeetafel vertrieb.
Wir gingen schwimmen. Der Pool war durchaus schön angelegt. Man konnte sechzehn Meter schwimmen, aber man konnte auch rutschen, sich von einer Schwalldusche massieren lassen, man konnte nur nicht vom Dreimeterbrett springen, weil eben keins da war!
Als wir uns wieder abgetrocknet hatten – Tristan trug den Tigerenten-Bademantel, Edda wollte keinen Bademantel tragen, denn der rosa Glitzer-Badeanzug mit dem Herz in Höhe des Bauchnabels musste ja schließlich auch gesehen werden –, da sah die Welt schon wieder ganz anders aus.
Vor allem deswegen, weil Tristan wieder ganz normal nach Campingplatz roch, nach dieser unnachahmlichen Mischung aus Sonnencreme, Pommes und Chlor. Für mich war es ein sinnliches Erlebnis!
Tristan lag in seinem Bett. In den Augen hatte er immer noch diesen Anflug von Stolz: »Ne, Papa, der Fisch, den ich gefangen habe. Der war echt lecker!«
Der Fisch war nicht wirklich lecker, aber ich habe ihn gegessen! Tristan war schließlich völlig begeistert, und ich wollte ihm den Abend nicht vermiesen.
Beim Gutenachtküsschen stellte ich fest: Tristan roch tatsächlich wieder normal!
Wir hatten zwei völlig glückliche Kinder! Ich wollte immer viele Kinder, aber heute weiß ich, zwei sind viele! Und wenn ich zwei völlig glückliche Kinder habe, dann bin ich auch glücklich!
»Hat dir der Fisch eigentlich geschmeckt?« Das musste eine rhetorische Frage sein. Ich war mir sicher, Anne hatte mir mein Unbehagen angesehen. »Nein!Der liegt mir verdammt schwer im Magen!« – »Dann bin ich ja beruhigt. Warum gehen Männer so gerne angeln?«
»Das kann man so nicht sagen: Männer! Es gibt sicher einige Männer –
Weitere Kostenlose Bücher