Nie Wirst Du Entkommen
Wochen nach dem Bruch. Ich wollte Nägel mit Köpfen machen. Das will sie wohl auch. Sie heiratet den Typ in ein paar Wochen. Er arbeitet für Daddy, und sie kriegt ihren Wohnsitz mit Adresse an der North Shore.« Er seufzte. »Jetzt weißt du alles.«
»Danke für das Vertrauen.«
Seine Zähne blitzten auf. »Und danke für … du weißt schon. Verdammt gut für eine Anfängerin.«
Sie riss die Augen auf. »Eben hast du gesagt, das war das Beste, was du jemals gekriegt hast.«
»Stimmt auch. Aber wenn das dein erster Versuch war, dann kann es ja nur noch weiter aufwärtsgehen.«
Ihre Lippen zuckten. »Und dann schnell wieder abwärts, wie man sehen konnte. Schlaf, Aidan. Bald wird es wieder hell.«
Freitag, 17. März, 7.30 Uhr
»Diese Ziege.« Joanna stand mit offenem Mund vor dem Fernseher und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Tess Ciccotelli füllte den Bildschirm aus, und ihre Miene war abwechselnd nervös, traurig, gefasst und ernst. Dann kehrte das Bild zur Moderatorin zurück. »Sie spricht mit Lynne Pope.«
Keith sah mit gerunzelter Stirn von seiner Zeitung auf. »Und für dich wird es jetzt Zeit, damit aufzuhören, Jo. Du kriegst dein Interview nicht. Finde dich damit ab und wende dich anderen Dingen zu.«
Sie sah ihn über die Schulter finster an. »Vielen Dank für die tolle Unterstützung.«
»Werd endlich erwachsen.« Er faltete die Zeitung zusammen. »Ich habe gestern einen Anruf von einer Bank in Atlanta bekommen. Ich könnte da am nächsten Ersten anfangen. Das ist eine gigantische Chance für mich. Jo, ich will nach Hause. Und vielleicht kannst du ja deine Meinung ändern, wenn du einen Grund hast.«
»
Du
hast einen Grund«, sagte sie wütend. »Das ist deine Karriere. Dein Leben.«
»Von dem ich dachte, dass wir es miteinander teilen«, sagte er ruhig. »Ich habe denen noch keine Antwort gegeben. Ich ziehe mich jetzt zur Arbeit an. Wir können heute Abend darüber reden.«
Wütend sah sie ihm nach und wusste, dass sie keine Lust hatte, mit ihm darüber zu reden. Sie würde bleiben und diese verdammte Verfasserzeile bekommen, und wenn es das Letzte war, was sie tat. Sie wandte sich gerade zur Küche um, als ein Bild auf dem Fernsehschirm ihre Aufmerksamkeit fesselte.
»Sylvia Arness wurde heute mit einer schwerkalibrigen Waffe erschossen. Die Polizei ermittelt. Zeugen berichten, sie hätten den Schuss gehört und die Tote gefunden. Am Mantel der Frau war ein Zettel befestigt, auf dem ›Du wirst beurteilt nach den Leuten, mit denen du verkehrst‹ stand. Die Polizei war zu keinem Kommentar über die Bedeutung dieses Satzes bereit. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten …«
Langsam ließ sich Joanna auf dem Stuhl vor ihrem Computer nieder und klickte, bis die Fotos, die sie am Mittwochnachmittag von Ciccotelli gemacht hatte, zu sehen waren. Da war das Weingeschäft, die Boutique, der Blumenladen, das Schuhgeschäft …
Da ist es.
Die tote Frau auf einem Foto mit Ciccotelli. Sie hatten kaum miteinander gesprochen. Und nun war die Frau tot. Ein eiskalter Schauder rann ihr über das Rückgrat.
Mein Gott.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, während sie in den Fotos zurückblätterte, bis sie zum Weingeschäft kam. Da war etwas gewesen. Sie verglich das grobkörnige Foto auf Seite vier des
Bulletin
von heute mit ihrem eigenen. »Marge Hooper, dreiundfünfzig, Opfer eines Raubüberfalls auf ihr Geschäft«, stand als Überschrift über dem kurzen Artikel. Dieselbe Frau.
Sie ging die anderen Fotos durch, hielt den Atem an. Der Portier war auch zu sehen. Drei Tote. Alle auf Bildern, die sie gemacht hatte. Sie dachte an das fehlende Fotopapier. Jemand hatte ihre Dateien geplündert. Ihr wurde eiskalt.
Ruf die Polizei an, Jo. Sofort.
Sie bemerkte, dass ihre Hand zitterte, als sie nach dem Hörer griff, und fuhr zusammen, als es plötzlich klingelte. »Hallo?«
»Miss Carmichael? Mein Name ist Dr. Kelsey Chin von der Frauenklinik in Lexington, Kentucky. Man hat mir gesagt, Sie hätten gestern angerufen.«
Mit bebenden Händen blätterte Joanna durch ihren Notizblock, bis sie den Namen gefunden hatte. Er war bei ihrer »Fliegenfalle-Recherche«, wie sie es nannte, aufgetaucht. »Dr. Chin. Vielen Dank, dass Sie zurückrufen. Ich recherchiere für eine Geschichte und hoffe, dass Sie mir helfen können.«
Freitag, 17. März, 7.30 Uhr
Aidan hatte Tess vor zwanzig Minuten am Hotel ihrer Eltern abgesetzt, gerade noch rechtzeitig, dass sie ihr Interview mit Lynne Pope gemeinsam
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