Nie Wirst Du Entkommen
immer noch. Er schreit und schlägt um sich, und meistens müssen sie ihn am Bett anschnallen. Er weint und jammert, weil er dauernd tödliche Angst hat. Alles ist auf das reduziert, was er sieht und nicht verschwinden lassen kann. Er ist vollkommen allein.«
»Und seine reichen Eltern besuchen ihn nicht einmal?«, fragte Aidan beißend.
Wie konnte ich das nur vergessen?
»Geld bedeutet meistens Macht, aber manchmal auch gar nichts. Seine Mutter kommt ab und an, aber die Besuche sind mit der Zeit seltener geworden. Sie hofft immer noch, dass er wieder gesund wird, dass er wieder der Mann wird, den sie geliebt hat. Und sie liebt ihn noch immer. Aber die Zeit verstreicht, und er ist gefangen in seinem gestörten Verstand, wo ihm alles Angst macht und niemand für ihn da ist.« Sie sog die Luft ein und stieß sie langsam wieder aus. »Manchmal …« Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Er stand eine Weile steif da, bis er sich langsam umdrehte und sie ansah. »Manchmal was, Tess?«, fragte er ruhig.
Sie schämte sich für das, was sie sagen musste, aber sie wollte unbedingt, dass er verstand. »Manchmal, wenn ich ihn in seiner Qual erlebe, denke ich, es wäre besser, wenn er einfach stürbe. Und manchmal …« Sie sah weg. »Manchmal überlege ich, ob ich ihm dabei helfen soll. Und ich bin nie sicher, ob ich gnädig oder rachsüchtig bin.« Sie seufzte. »Damals im Gerichtssaal hielt ich sein Schicksal in den Händen, Aidan, und ich habe ihn verschont, weil er nicht fähig war, vor Gericht auszusagen, und das Gesetz will, dass er dann für seine Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Aber ich habe gesehen, was er getan hat, und
verdammt
…« Ihre Stimme brach, aber sie räusperte sich resolut. »Ich habe in die Augen der Mütter gesehen, deren Töchter ermordet worden waren, und ich habe die Frau des Polizisten gesehen, den er erwürgt hat. Und ich hasste Harold Green. Trotzdem musste ich tun, was ich getan habe.« Sie schloss die Augen, und die Tränen rannen über ihre Wangen. »Unter ähnlichen Umständen würde ich dasselbe wieder tun.«
Aidan stand da, und ihre Tränen taten ihm weh. Sie war eine Frau, die getan hatte, was sie für richtig hielt, obwohl sie auf so viele Widerstände gestoßen war. Er hatte sie zuerst für kalt gehalten, wusste nun aber, dass sie mitfühlender war, als für einen Menschen gut sein konnte, und nur durch ihren eisernen Willen gelang es ihr, das vor anderen zu verbergen. Und er wusste, wie es war, wenn man seinen Job erledigen musste, obwohl es einem das Herz herauszureißen drohte. Sie hatten sehr viel mehr gemein, als er ursprünglich geglaubt hatte. Und irgendwo tief in seinem Herzen blühte etwas auf. Für den Moment wollte er es Respekt nennen.
»Es tut mir leid. Ich hatte es nicht verstanden.« Er setzte sich neben sie. »Weine bitte nicht mehr.«
Sie biss die Zähne zusammen, um ein Schluchzen zurückzuhalten. »Ich kann das Bild von dieser Frau nicht verdrängen – Sylvia Arness. Sie sollte jetzt lernen oder auf einer Party sein, aber sie ist tot.«
Er fuhr ihr mit dem Daumen über die nasse Wange. »Weil irgendein kranker Mistkerl weiß, wie er dich treffen kann. Aber er wird nicht gewinnen, Tess. Das erlauben wir ihm nicht.« Der Schluchzer brach sich Bahn, und er zog sie in die Arme, strich ihr mit den Händen über den Rücken und küsste sie, als das Weinen heftiger wurde, bis er sich nicht mehr zu helfen wusste, als sie mit seinem Mund zum Schweigen zu bringen.
Er löste ihr Gesicht von seiner Brust und drückte die Lippen auf ihre, hart und eindringlich. Ein paar Sekunden lang kämpfte sie dagegen an, dann stützte sie sich auf die Knie und erwiderte den Kuss verzweifelt, drängend, die Finger in seinem Haar. Die andere Hand neckte seine Brustwarze, und er stieß ein tiefes Knurren aus.
Er sprang vom Bett, riss sie auf die Füße und fummelte an den Knöpfen des Hemds, fluchte, als sie sich nicht öffnen wollten, und riss sie schließlich mit einem Ruck ab. Ihre Hände waren mit seiner Hose beschäftigt, die plötzlich auf seine Knöchel rutschte, und er trat sie weg. Dann schob sie ihm die Shorts hinunter, bis er nackt vor ihr stand, während ihr noch immer das geöffnete Hemd um die Schultern lag. Er wollte es ihr abstreifen, hielt aber verdutzt inne, als sie das Licht einschaltete.
Ihr Haar war zerzaust, ihre Lippen geschwollen und ihr Gesicht nass und gerötet von Tränen. Aber ihre Augen brannten, und sie
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