Nie Wirst Du Entkommen
der Braten, den seine Mutter meistens am Sonntag für die Familie machte, und … er schnupperte erwartungsvoll. Kuchen.
Oh, lass es bitte Kirsch sein,
dachte er, während er seinen durchnässten Mantel auszog. Er nahm sich ein altes Handtuch aus dem Wäschekorb und rubbelte seine Haare trocken, bevor er in die Küche ging, wo seine Mutter gerade die Spülmaschine belud. Der Tellerstapel deutete darauf hin, dass sie ein volles Haus gehabt hatte, und er wünschte, er hätte ebenfalls hier sein können. Es war schon lange her, dass seine ganze Familie an einem Sonntagnachmittag zusammengekommen war. Alle hatten genug mit ihrem eigenen Leben zu tun.
Becca Reagan schaute auf, und das Lächeln, das ihre Augen aufleuchten ließ, zog ihm aus unerfindlichen Gründen das Herz zusammen. Plötzlich erschien vor seinem inneren Auge das Bild von Cynthia Adams auf der Straße, und er hörte Ciccotellis Stimme sagen, sie habe keine nahen Verwandten. Keine lächelnde Mutter, wenn sie nach Hause gekommen war, und nur furchtbare Erinnerungen an einen Vater, der sie missbraucht hatte. Dann dachte er an den Kindsmord, an dem er gearbeitet hatte, bevor Murphy und er zu dem Adamsfall gerufen worden waren. Ein Sechsjähriger war von seinem eigenen Vater ermordet worden. Nachdem Ciccotelli und ihre Anwältin gegangen waren, hatte Aidan die Mutter des Jungen besucht. Sie wusste, wo sich der Vater versteckte, da war Aidan sich sicher, aber sie deckte ihren Mann, während sie nicht einmal ihren eigenen Sohn beschützt hatte.
Wenn er zu verstehen versuchte, würde er wahrscheinlich den Verstand verlieren. Also konzentrierte er sich lieber auf das herzliche Willkommen seiner Mutter.
»Aidan! Ich habe mich schon gefragt, ob du noch vorbeikommst.«
Aidan küsste sie auf die Wange. »Hi, Mom. Noch was übrig?«
Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß, eingehend und kritisch. Es war ein vertrauter Blick, und sie hatte seinen Vater jeden Tag so betrachtet, wenn er von seinem Dienst auf der Straße zurückgekehrt war. Nach Jahrzehnten bei der Chicagoer Polizei genoss Kyle Reagan nun seinen Ruhestand.
Becca trocknete sich die Hände ab und legte sie Aidan an die Wangen. Sie verstand ihn. Sie würde nicht fragen, wenn er nicht von sich aus zu erzählen begann. Das war eine der Eigenschaften, die er am meisten an ihr liebte. Eine der Eigenschaften, die er bei noch keiner anderen Frau festgestellt hatte. Was vermutlich der Grund dafür war, warum er mit dreiunddreißig immer noch Single war. Nicht, dass er nicht versucht hätte, diesen Zustand zu ändern. Ja, weiß Gott, er hatte es versucht.
»Im Kühlschrank steht ein Teller mit Resten. Der Kuchen kühlt noch ab.« Sie zog die Brauen hoch. »Du bist mal wieder zum absolut richtigen Zeitpunkt gekommen.«
Er brachte ein müdes Lächeln zustande. »Wunderbar.«
»Du hast nasse Haare, Junge. Du wirst dir noch eine Lungenentzündung holen.«
Er machte die Kühlschranktür auf. »Es regnet draußen, Mom. Und das Dach vom Camaro hat einen Riss.«
Sie seufzte. »Es hat wohl keinen Sinn, dir zu sagen, dass du dir ein vernünftiges Auto besorgen sollst.«
Er grinste nur und setzte sich an den großen Küchentisch. »Die Kiste hat zweihundertneunzig PS .«
Sie verdrehte die Augen über seine Standardantwort. »Dein Vater hat Klebeband in der Garage. Iss auf und reparier deinen Schrotthaufen.«
»Hab ich schon«, sagte er mit vollem Mund. »Ich hab mir auf dem Weg hierher noch Klebeband gekauft.« Als der Teller leer war, räumte sie ihn weg und stellte ihm einen neuen mit einem großen Stück Kuchen hin.
»Du hast Sean und Ruth und die Kinder verpasst. Abe und Kristen sind noch da«, sagte sie. »Dein Vater versucht, dem Baby etwas über Baseballtaktik beizubringen.«
Seine fünfzehn Monate alte Nichte Kara. Sein Patenkind. Sein Herz krampfte sich wieder zusammen, als er an das Glück dachte, dass sein Bruder Abe nach so langer Zeit endlich gefunden hatte.
»Ich weiß. Abes SUV versperrt die ganze Einfahrt, weswegen ich auf der Straße parken musste. Wo ist Rachel?« Seine sechzehnjährige Schwester wurde für seinen Geschmack viel zu schnell groß.
»Sie ist bei einer Freundin und kommt gegen neun zurück. Ich glaube, sie hat Liebeskummer, aber sie sagt nichts.« Sie sah ihn prüfend an. »Vielleicht kannst du mal mit ihr reden.«
Aidan schnaubte. »Über Jungs? Vergiss es. Wenn ich Dad wäre, würde ich sie einsperren und erst wieder rauslassen, wenn sie fünfundzwanzig ist. Dann muss sich
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