Nie Wirst Du Entkommen
hörte. Sie hatte in den letzten Tagen zu viele schlimme Dinge erlebt. Wenn sie sich nun auf seine Kosten amüsierte, konnte er damit leben.
Seine Mutter grinste breit. »Sie müssen Kristens Freundin sein. Ich habe Sachen für Sie. Kristen hat sich Ihre Kleidung angesehen und mir die Größen gegeben. Ich hoffe nur, dass sie passen.«
Tess trat mit einem Lächeln auf dem Gesicht um ihn herum. »Vielen Dank, Mrs. Reagan. Das ist wirklich nett von Ihnen.« Sie ging auf seine Mutter zu. »Aidan hat mir gerade sein Haus gezeigt.«
»Und mit seinem neuen Motorrad angegeben?«, fragte sie augenzwinkernd, und Tess hob die Schultern.
»Merk dir bitte, dass
ich
kein Wort gesagt habe, Reagan.« Sie öffnete die Tür für seine Mutter, und warf einen Blick zurück zu Aidan, der noch immer mit gesenkter Waffe dastand. »So hat eben jeder sein Hobby, Mrs. Reagan.«
»Er wird sich auf dem Ding noch den Hals brechen«, sagte Becca, während sie Tess in die Küche folgte.
Aidan starrte auf die Tür. Dann lachte er. Sich mit dem enormen Ständer zu bücken und die Waffe zu ziehen, hätte ihn beinahe umgebracht, aber ihr Lachen hatte den Schmerz erträglicher gemacht. Doch er wurde rasch wieder ernst, als er den Frauen in die Küche folgte. Er musste Jack Unger anrufen. Die CSU musste sie in Tess’ Praxis treffen. Je eher sie diesen Mörder aufhalten konnten, umso eher konnte Tess wieder ihr normales Leben führen.
Zu dem ich in irgendeiner Form gehören will.
Dienstag, 14. März, 19.45 Uhr
T ess blickte misstrauisch zu dem geklebten Dach von Reagans Camaro und hoffte, dass es halten würde, denn es hatte wieder zu regnen begonnen. Aber sie wagte nicht, eine Bemerkung zu machen, aus Angst, dass er es wieder in den falschen Hals bekäme. Offensichtlich hatte ihm jemand einmal wehgetan. Hatte Geld zum Thema gemacht. Hatte ihm das Gefühl gegeben, unzulänglich zu sein. Sie biss sich auf die Unterlippe. Wer ihn für unzulänglich hielt, hatte ihn augenscheinlich noch nie geküsst. Obwohl sie sich normalerweise eisern im Griff hatte, war es ihm gelungen, sie aus der Reserve zu locken. Natürlich hatte er recht. Es war gewiss nicht klug, sich Hals über Kopf in irgendetwas Körperliches zu stürzen. Nicht heute jedenfalls. Aber sie hatte den Beweis gebraucht, dass sie begehrenswert war. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr sie das gebraucht hatte, bis er sie in die Arme gezogen hatte.
Sie hätte gerne gewusst, wer diese Frau gewesen war. Die, die ihm weh getan hatte, die den Wert des Geldes höher eingeschätzt hatte als ihn. Aber sie hielt es für keine gute Idee, ihn jetzt danach zu fragen. Ein anderes Mal. Dennoch nagte das Schweigen an ihr. »Ich mag deine Mutter.«
Aidan warf ihr einen Blick zu, dann sah er wieder auf die dunkle, nasse Straße hinaus. »Jeder mag meine Mutter.« Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Aber danke. Sie war völlig aus dem Häuschen, weil dir die Sachen gefallen haben, die sie dir gekauft hat.«
Tess befühlte den weichen Pullover, den sie trug. »Sie hat dieselben Sachen ausgesucht, die ich auch genommen hätte. Danke, dass du ihr gesagt hast, sie soll Rollis kaufen.«
»Gern geschehen.«
Sie stieß den Atem aus. »Und danke, dass du genügend Selbstkontrolle gehabt hast. Ich werfe mich normalerweise nicht so Männern an den Hals.«
Er sagte nichts, aber sie sah im Licht der vorbeifahrenden Wagen, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Dann seufzte er. »Tess, wenn du dich entschuldigen willst, lass es. Und glaub nicht, dass ich mich das nächste Mal zurückhalten kann, nur weil es mir eben gelungen ist.«
Ihre Haut prickelte. »Das nächste Mal?«
Sein Blick war kurz, aber direkt. »Es wird ein nächstes Mal geben, Tess.«
Sie lehnte sich mit einem zufriedenen Lächeln im Sitz zurück. »Gut.«
Sein Lachen war alles, was zu hören war, bis er den Camaro auf ihrem Platz in der Garage des Hauses parkte. Tess stieg aus und sah sich besorgt um. »Harrisons Wagen steht noch hier. Er arbeitet sonst nicht mehr um diese Zeit.« Dann drehte sich ihr der Magen um. »Oh, nein!« Sie rannte auf die Treppe zu, und Aidan folgte ihr. Sie trafen Jack an der Tür zu ihrer Praxis.
Reagan nahm die Schlüssel aus ihren zitternden Händen, schloss auf, schaltete innen das Licht an und blockierte augenblicklich den Eingang. »Nicht reingehen.«
Sie schaute an ihm vorbei und schnappte entsetzt nach Luft. »Oh, mein Gott!« In Denises Büro herrschte Chaos, der Computer lag zerschmettert am Boden.
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