Nie wirst du vergessen
Himmel und
Hölle in Bewegung setzte und sich keine Ruhe gönnte.
Am schlimmsten empfand
sie die einsamen Abende. Obwohl sie versuchte, sich mit Lesen oder Fernsehen
abzulenken, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu Zachary. Was tat er
gerade? Mit wem war er zusammen? Hatte er schon irgendetwas erreicht?
Er rief sie jeden Abend
an, und sie war froh darüber, da es die einzige Verbindung zu dem Menschen
war, dem sie restlos vertraute, und der ihre letzte Hoffnung war.
Tagsüber in der Bank spürte Lauren deutlich die
Spannung, die immer stärker und unerträglicher wurde, je näher der Prozess um
den Mason-Fonds heranrückte. Sämtliche Verhandlungen in dieser Sache fanden
hinter verschlossenen Türen statt, und Lauren durfte an keiner teilnehmen. Sie
litt sehr unter den unfreundlichen Blicken, mit denen sie von verschiedenen
Vorstandsmitgliedern bedacht wurde, wenn sie ihnen zufällig auf dem Flur
begegnete.
Nur Patrick Evans schien Verständnis für ihre Lage und
Mitleid für Lauren zu haben. Nach der Vorstandsversammlung lud er sie zu einer
Tasse Kaffee in ein nahe gelegenes kleines Restaurant ein. Lauren nahm die
Einladung nach einigem Zögern an. Etwas in Patricks klugen Augen riet ihr, sich
anzuhören, was er ihr zu sagen hatte.
Als sie mit ihm in einer Nische des Restaurants saß,
fragte er ohne Umschweife: „Sind Sie mit der Suche nach Ihren Kindern ein Stück
weitergekommen?"
„Ein bisschen."
„Aber es gibt noch keine festen Anhaltspunkte,
oder?"
„Eigentlich nicht. Aber wir haben immerhin schon
herausgefunden ..."
„Wir?", fiel Patrick ihr ins Wort. „Meinen Sie damit
sich und Zachary Winters?"
„Ja." Lauren merkte, dass Patrick Evans sich unbehaglich
fühlte. „Wir wissen, dass Doug nach Boise gezogen ist und dort etwa sechs
Monate gewohnt hat. Aber wo er im Augenblick ist, wissen wir nicht."
„Das tut mir ehrlich leid, Lauren. Sie machen ziemlich
viel durch, vor allem auch wegen der Vorfälle in der Bank, nicht wahr?"
„Das ist also auch Ihnen aufgefallen", sagte Lauren
spröde.
Patrick Evans fingerte an seiner Krawatte. „Nun,
George West ist ein bisschen engstirnig, wenn es sich um etwas so Wichtiges
handelt."
„Soll das eine Warnung sein?", fragte Lauren
scharf.
„Nein. Nur ein gut gemeinter Rat."
„Was für einer?"
„Seien Sie vorsichtig, Lauren. Geben Sie George keinen
Grund zu der Vermutung, dass Sie irgendwie die Interessen der Bank
verletzen."
Lauren verstand. Offensichtlich glaubte George West
noch immer, dass sie für Zachary spionierte. Ihre Augen glitzerten kalt. „Ich
versuche nur, meine Kinder zu finden, Patrick. Das ist weder ein Verbrechen
noch eine Gefahr für George West und die Bank. Und was meine Loyalität
gegenüber der Northwestern und den Treuhandkonten betrifft, so hat sich daran
nichts geändert."
Patrick wich ihrem Blick aus. „Das weiß ich. Aber
George ... Nun, er sieht manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Er hat
gehört, dass Sie mit Zachary Winters nicht nur geschäftlich, sondern auch
privat zu tun haben."
„Na und?"
„Zachary hat sich darum gekümmert, dass Joshua Täte
Jura studierte und ihn danach als Partner in seine Kanzlei aufgenommen. Allein
diese Tatsachen machen George nervös. Sehr nervös."
„Also, was schlagen Sie vor? Soll ich etwa Zachary
mitteilen, dass er meinen Fall nicht mehr bearbeiten darf, und zwar auf
Anordnung meines Chefs?"
„Natürlich nicht, Lauren, denn schließlich habe ich
Ihnen Winters ja empfohlen."
„Das war jedoch, bevor Hammond Mason Mandant von
Joshua Täte wurde."
„Ich weiß. Trotzdem möchte ich Sie bitten, vorsichtig
zu sein."
„Ich werde daran denken", erwiderte Lauren.
Eigentlich wollte Patrick Evans ihr ja nur helfen.
Seine Warnung war gut gemeint. Das machte Lauren sich klar. Sie schätzte den
weißhaarigen Anwalt sehr und vertraute seinem Urteil. Also würde sie sich wirklich
vorsehen, damit ihr nichts, was sie sagte oder tat, als Untreue oder gar Verrat
ausgelegt werden könnte.
Patrick erhob sich. Doch Lauren legte die Hand auf
seinen Arm. „Meinen Sie, dass ich lieber kündigen sollte?"
Patrick überlegte. „Ich weiß es nicht. Aber an Ihrer
Stelle würde ich es zumindest ins Auge fassen. Seit George von der Klage gegen
die Bank erfahren hat, sieht er rot."
„Obwohl er den Prozess gewinnen wird?"
„Lauren, kein Prozess ist eine sichere Sache. Natürlich
gibt es Gesetze. Aber es kommt immer darauf an, wie man sie auslegt."
Lauren hatte das Gefühl, zwischen
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