Nie wirst du vergessen
was geschehen ist", sagte
Pater McDougal. „Es hat geheißen, die Mutter der Kinder sei verstorben."
„Das ist nicht wahr. Ich lebe."
„Aber warum ließ Ihr Mann uns in dem Glauben, dass
Sie nicht mehr lebten? Möchten Sie es mir sagen?"
„Ja, natürlich." Hastig berichtete Lauren von der
Scheidung,
dem Sorgerecht und der Entführung der Kinder durch Doug.
„Jetzt verstehe ich", bemerkte der Priester. „Leider
kann ich Ihnen Alicia ohne die Genehmigung ihres Vaters nicht übergeben. Es
sei denn, Sie bringen mir einen Gerichtsbeschluss. Ich glaube, dann sähe es
anders aus. Doch ich bin mir nicht sicher und möchte das mit einem Anwalt
besprechen."
„Selbstverständlich, Pater. Würden Sie mir bitte Dougs
Adresse und Telefonnummer geben?"
„Das darf ich bestimmt." Der Geistliche nannte
Lauren beides.
„Vielen Dank, Pater McDougal", sagte Lauren
dankbar.
„Und Ihnen wünsche ich viel Glück. Besuchen Sie mich,
wenn Sie nach Twin Falls kommen."
„Das tue ich bestimmt", versprach sie voller
Freude. Als sie den Hörer aufgelegt hatte, brach sie zusammen. „Du hast sie
gefunden", flüsterte sie. „Oh Zachary, sie leben und warten auf
mich."
„Das steht noch nicht
fest."
„Was meinst du
damit?", fragte sie erstaunt.
„Vielleicht halten sie eine andere Frau für ihre Mutter!
Du weißt doch, dass er eine Zeit lang mit dieser Becky zusammenlebte."
„Das spielt keine Rolle.
Sie hat kein Recht auf meine Kinder. Sie gehören mir."
„Dann müssen wir nur
noch eine Möglichkeit finden, sie zurückzuholen", bemerkte Zachary und
fügte grimmig hinzu: „Und das könnte womöglich noch schwieriger sein, als sie
aufzuspüren."
12. KAPITEL
Die Fahrt von Boise nach Twin Falls kam Lauren endlos
vor. Sie schaute durch das Fenster auf den grauen Himmel und den Schnee auf den
Bäumen. Zachary hatte einen Wagen gemietet und hielt Laurens Hand in seiner. Er
wusste, wie aufgeregt Lauren war. Sie hoffte inbrünstig, dass Doug nichts von
ihrem Kommen ahnte. Zachary hatte ihr geraten, ihn nicht anzurufen, sondern
ihn mit dem Besuch zu überraschen, um ihn nicht zu warnen. Und diesmal hatte
Lauren seinen Rat befolgt.
Gegen vier Uhr erreichten sie Twin Falls und fuhren
zu der Adresse, die Pater McDougal ihnen gegeben hatte. Das Haus sah ziemlich
vernachlässigt aus. Farbe bröckelte von der kleinen Veranda, die Regenrinne
hing schief vom Dach, und eine Stufe der Holztreppe war zerbrochen. Als
Zachary den Wagen vor dem kleinen Haus parkte, zog sich Laurens Magen vor
Nervosität zusammen.
„Willst du wirklich hineingehen?", fragte Zachary
besorgt.
„Ja. Ich habe seit vielen Monaten auf diesen Moment
gewartet", antwortete sie energisch.
„Okay, dann wollen wir das hinter uns bringen."
Er half ihr beim Aussteigen und hielt sie an der Hand, als sie zur Haustür
gingen. Lauren drückte auf den Klingelknopf. Als nichts geschah, klopfte sie
hart an die Tür. Während sie wartete, warf sie einen Blick auf die Veranda. Da stand
ein Dreirad. Lauren erkannte es. Es gehörte Ryan.
Plötzlich wurde die Haustür geöffnet, und Lauren sah
den Mann vor sich, der ihr die Kinder weggenommen und den sie einmal geliebt
hatte. Sein Haar war kurz geschoren und lichter und grauer geworden.
„Lauren!", rief Doug und erbleichte. Er war nicht
rasiert und trug nur ein schmuddeliges Unterhemd und verschmutzte Jeans.
„Ich bin wegen der Kinder gekommen", sagte
Lauren.
„Wegen der Kinder?" Unsicher blickte Doug auf
Lauren und Zachary. „Die sind nicht da."
„Wo sind sie? Ich will sie haben, und zwar
sofort."
„Bei Freunden. Und wer ist dieser Mann?" Doug
blickte auf Zachary.
„Mein Anwalt."
„Wozu hast du einen Anwalt mitgebracht?"
„Damit du begreifst, dass es mir ernst ist,
Doug."
„Der kann auch nichts machen. Die Kinder bleiben bei
mir. Von mir aus könnt ihr vor Gericht gehen. Das nützt euch nichts."
Zachary biss die Zähne zusammen. „Sie irren sich,
Regis", sagte er so ruhig wie möglich. „Sie verlieren. Ich sorge dafür,
dass Sie nicht einmal mehr das Besuchsrecht bekommen. Es wird sein, als hätten
Sie nie Kinder gehabt. Verlassen Sie sich darauf."
Doug versuchte, seine Unsicherheit hinter Frechheit
zu verbergen. „Kein Gericht wird das akzeptieren. Sie haben wohl vergessen,
dass nicht nur Mütter, sondern auch Väter Rechte haben."
„Wollen wir wetten, dass wir gewinnen?", fragte
Zachary sehr sanft.
Doug begann zu zittern. Dieser verdammte Anwalt
schien sich seiner Sache absolut sicher zu sein.
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