Niedersachsen Mafia
sich
fest.
»Ich bin Frauke.«
»Frau-ke.« Es schien, als würde Georg sich den Namen auf der Zunge
zergehen lassen. »Was bedeutet das? Ich vermute, es ist ein nordischer Name.«
»Der Name hat seinen Ursprung im Althochdeutschen, das ja
bekanntlich Verwandtschaft mit dem Niederdeutschen aufweist. Er findet sich
auch im Friesischen und bedeutet ›kleine Frau‹.«
Georg spitzte die Lippen. »Eine intelligente Namenswahl Ihrer Eltern
für ein so charmantes Wesen.«
Frauke war irritiert. So hatte sie schon lange kein Mann mehr
genannt. »Was bezwecken Sie mit der Aktion?«, fragte sie unvermittelt.
»Aber, aber«, lächelte Georg. Es klang fast eine Spur überheblich.
»Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mir in die Arme gelaufen sind? Ich habe
mich nicht auf den Georgsplatz gestellt und auf Sie gewartet.«
Georgsplatz, dachte Frauke. War es wirklich Zufall? Oder spielte
dieser Mann mit ihr?
»Sie könnten die beiden Männer beauftragt haben.«
Der Mann nickte versonnen. »Gute Idee. Darauf bin ich noch nicht
gekommen. Statt Anzeigen in der Wochenendausgabe oder der mühevollen Suche im
Internet heuert man zwei Kerle an, die einem eine attraktive Frau einfangen.
Man selbst spielt dann den willkommenen Ritter.«
»So wie Ihr Don Quichotte in der Diele?«
»Gefällt Ihnen die Plastik? Ich habe sie aus dem Herzen Spaniens,
genauer gesagt aus Kastilien mitgebracht. Dort soll Don Quichotte gelebt haben.
Eine pittoreske Region voller Unergründlichkeiten und zum Glück touristisch
noch nicht überlaufen. Haben Sie Cervantes gelesen?«
Georg war zweifellos nicht nur intelligent, sondern auch gewandt,
stellte Frauke fest. Geschickt hatte er das Thema gewechselt und war ihr
ausgewichen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte Frauke. »Obwohl es mir
sympathischer gewesen wäre, wenn Sie mich zwei Straßen weiter abgesetzt
hätten.«
»Was hätte es Ihnen gebracht?« Georg sah auf ihre Hände. »Sie tragen
keinen Ehering«, stellte er fest. »Soll ich jemanden benachrichtigen, der Sie
abholt?«
Frauke hatte den Eindruck, sie würde ausgehorcht werden. »Das kann
ich allein«, sagte sie barsch.
»Dazu brauchen Sie aber meine Hilfe. Ich müsste Ihnen die Adresse sagen.
Oder?«
Am »Oder« erkannte Frauke, dass Georg mit ihr spielte. Würde sie
behaupten, ihren Standort zu kennen, hätte sie offenkundig gelogen und ihre
Position geschwächt. »Ein paar Schritte an der Luft werden mir guttun.«
Erneut erschien der spöttische Zug um Georgs Mundwinkel. »Und dann?
Die beiden Männer haben nicht den Eindruck auf mich gemacht, als wäre Ihre
Begegnung mit ihnen Zufall. Was hatte es für eine Bewandtnis, dass einer von
den beiden eine Waffe trug?«
Frauke beugte sich vor. »Was wissen Sie? Spielen Sie nicht den
Ahnungslosen.«
Georg faltete die Hände. »Ich bin durchaus selbstbewusst und weiß
vieles, aber leider nicht alles.«
Der Mann hatte eine merkwürdige Art, ihren Fragen auszuweichen.
»Ich werde jetzt gehen.«
Georg wies Richtung Tür. »Bitte!« Er wartete eine Weile, bis er
fortfuhr. »Und wohin?«
Leider hatte er recht. Außerdem war Frauke neugierig geworden. Wer
war dieser Mann? Wenn er zu den beiden Verfolgern gehören würde, hätte er sie
nicht vom Georgsplatz fortgebracht.
»Wie soll es weitergehen?«, fragte Frauke. Es klang wie eine
Kapitulation. Georg sollte nicht merken, welches Ziel sie verfolgte. Er sollte
nicht an ihren Gedanken teilhaben.
Der Mann trank in aller Ruhe seinen Tee aus. »Genießen wir den
Augenblick«, sagte er und schenkte beiden Tassen nach. »Da Sie nicht
protestiert haben, darf ich vermuten, dass Ihnen meine Mischung zugesagt hat.«
Er wartete Fraukes Antwort nicht ab, sondern kredenzte die zweite Tasse in der
gleichen Weise.
Sie spürte die wohltuende Wirkung des heißen Tees und die Wärme, die
von der Decke ausging.
Sie saßen schweigend in der Bibliothek, belauerten einander wie zwei
Raubtiere, die sich nicht aus der Deckung trauten, aber dem anderen auch keinen
Vorteil verschaffen wollten. Georg musterte sie immer wieder aus den
Augenwinkeln. Wenn er bemerkte, dass Frauke es registriert hatte, lächelte er
versonnen in sich hinein.
Die Stille wurde schließlich durch Fraukes Magen unterbrochen, der
sich mit einem heftigen Knurren bemerkbar machte.
»Borborygmus«, sagte Georg lachend. Als Frauke ihn fragend ansah,
erklärte er: »Das sind Hungerkontraktionen. Die können nur bei einem leeren
Magen entstehen, wenn bei Bewegungen der Magenwände Luft
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