Niedersachsen Mafia
Frauke und ließ ihren
Blick über die drei anderen Männer schweifen. Sie verweilte bei jedem, als
müsse sie sich jedes Detail der Gesichter einprägen. Giancarlo Rossi wich ihrem
Blick aus. Dem Gemüseimporteur schien es unangenehm, Frauke zu begegnen. Hastig
griff er zum Weinglas und nahm einen Schluck. Seine Nervosität konnte Frauke
daran erkennen, dass er zuvor nicht die Lippen abtupfte und sich am Rand seines
Glases dichte Fettspuren abzeichneten. Die fanden sich auch am Glaskelch
wieder, da er nicht den Stiel benutzte, sondern fast seine ganze Hand um das
Glas legte. Die beiden anderen Männer ließen keine Unruhe erkennen. In dem
gedrungenen Mann mit dem finsteren Aussehen glaubte Frauke Igor Stupinowitsch
zu erkennen, dessen Bild ihr Thomas Schwarczer gezeigt hatte. Der vierte
Teilnehmer der Runde mochte um die fünfzig sein. Er hatte dunkle tiefgründige
Augen und einen braunen Teint. Durch das dunkle, leicht krause Haar zogen sich
silberne Streifen, die an den Schläfen gerade so silberweiß waren, dass sie den
Mann mehr als interessant aussehen ließen. Die teure Kleidung unterstrich seine
elegante Erscheinung.
»Wollen Sie mich nicht vorstellen?«, fragte Frauke den Advokaten.
Dottore Carretta schien für einen winzigen Moment verblüfft, bis er
den Kopf schüttelte und in seiner liebenswürdigen, aber bestimmten Art sagte:
»Nein. Das ist ein Treffen unter Freunden.« Dann sah er Georg hinterher, der am
frei gehaltenen Tisch stehen geblieben war und zu ihnen herübersah. »Sie sind
in Begleitung? Schade, Signora. Eine so schöne Frau hätte ich auch gern
ausgeführt. Ich möchte den Herrn nicht warten lassen. Sonst ist er noch enttäuscht.
Signora?« Der Dottore verneigte sich andeutungsweise und nahm wieder Platz.
Frauke ging zu Georg, der ihr einen Platz anbot, auf dem sie der
Gruppe den Rücken zuwandte. Sie konnte aus Georgs Verhalten nicht entnehmen, ob
es Zufall war oder Georg dadurch vermeiden wollte, dass sie die vier Männer im
Auge behielt.
»Sie kennen die Herren?«, fragte Georg, nachdem er sich gesetzt
hatte.
Frauke nickte.
Georg lächelte amüsiert. »Geschäftlich?«
»Falls das zutreffen sollte, würde ich es Ihnen nicht erzählen.«
Frauke legte betont ihre Finger auf die Tischkante. »Und nun möchte ich wissen,
wer Sie sind.«
Ihr Gegenüber spitzte die Lippen. »Das wissen Sie doch: Georg.«
»Nun veralbern Sie mich nicht. Sie dürfen den Abend auch allein
verbringen.«
»Aber, aber. Sie haben doch den richtigen Beruf, um das
herauszufinden.«
Frauke machte Anstalten, aufzustehen. Doch Georg hob eine Hand, als
würde er ein Stoppzeichen setzen wollen. »Möchten Sie lieber mit den vier
Herren speisen?«
Ihr war bewusst, dass sie sich eine Blöße geben würde, stünde sie
jetzt auf. »Sie legen ein eigenartiges Gebaren an den Tag.«
»Das haben mir andere auch schon nachgesagt.« Georg nahm die
Weinkarte entgegen, nachdem Augusto ihnen zuvor die Speisekarte gereicht hatte.
»Als Aperitif einen Prosecco?«
Georgs Frage war nur Formsache. Er wartete Fraukes Antwort nicht ab,
sondern nickte dem Kellner zu. Dann vertieften sie sich in die Speisekarte. Es
dauerte nicht lange, bis Georg auch hier die Führung übernahm. »Ich schlage
Ihnen das Menü vor«, sagte er bestimmt. Als Frauke nicht widersprach, bestellte
er dazu einen Rotwein aus dem Piemont, einen 2005 er
Barbaresco. Frauke überraschte es nicht, dass die Flasche über siebzig Euro
kostete. Sie überflog noch einmal die Menüfolge: Roulade von der Wachtel und Gänseleber,
schwarze Tortellini mit Steinbutt und Hummer, Limetten-Champagner-Sorbet, rosa
gebratener Rücken und zart geschmorte Schulter vom Salzwiesenlamm in
Rotweinreduktion und eine Käseauswahl.
Sie hatte bereits in Georgs Haus festgestellt, dass der Mann etwas
von der feinen Lebensart verstand. Deshalb unterdrückte sie auch die Frage, ob
er ihr imponieren wollte.
»Warum haben Sie sich meiner bedient, um die Herren ausfindig zu
machen?«, fragte Georg direkt.
»Darauf werde ich Ihnen nicht antworten«, erwiderte sie eine Spur zu
schnippisch. Sie unternahm nicht den Versuch, ihre Absicht zu leugnen. Dafür
fixierte sie Georgs Augen und sah ihm so lange ins Gesicht, bis er blinkerte
und auswich. Dieses Kräftemessen hatte sie gewonnen. »Woher kennen Sie Stupinowitsch?«,
fragte sie unvorbereitet.
»Stuponio-was?«
»Sie enttäuschen mich, wenn Sie es leugnen würden. Mir ist nicht
entgangen, dass Sie Blicke miteinander ausgetauscht
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