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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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Westernport —, die DC-3 mit nach oben gerichtetem Bug in einer Ecke des Flugfeldes, Pferdekoppeln, das eine oder andere Weingut, kleinere Gehöfte, Straßen, Zäune. Die Maschine hielt Kurs nach Südost. Dies war ein Teil der Welt, den Wyatt unzählige Male durchquert und überquert hatte, zu Fuß, mit dem Wagen und in der Luft, dabei oft auf der Flucht vor dem Gesetz. Es war seine Basis für ein in gewisser Hinsicht zufriedenes Leben gewesen, das Farmhaus irgendwo dort unten, der Schlupfwinkel, den er von Zeit zu Zeit verlassen hatte, um eine Bank oder einen Geldtransporter auszurauben. Am Ende hatte ihn dieses Leben im Stich gelassen. Doch er kannte den Ort in- und auswendig, er hatte sich ihm eingeprägt, in Kopf und Seele.
    Inverloch und die Küste Victorias glitten unter ihm vorbei. Vor ihm lag King Island und ein Anschlussflug nach Hobart. Die See sah bewegt aus.
    Wyatt dachte an Liz Redding und an die Reise von Vanuatu in der gestohlenen Yacht. Sechs Tage war es ihnen gelungen zu verdrängen, wer sie waren, aber als die Küstenlinie von Australien in Sichtweite gekommen war, hatte Wyatt sich dabei ertappt, wie er den nächsten Schritt in Angriff nahm: die Juwelen schnappen und verschwinden. Er hatte keine Möglichkeit gesehen, Liz in seine Pläne einzubeziehen, also hatte er sich selbst überzeugen müssen, dass sie keine Rolle mehr spiele.
    Liz war freimütiger gewesen. Eine gemeinsame Flucht kam nicht infrage, aber verlieren wollte sie ihn auch nicht, blieb nur eine unrealistische Alternative.
    Â»Lass dich von mir festnehmen, Wyatt.«
    Wyatt hatte den Kopf geschüttelt. Morde und Millionen geraubter Dollar kennzeichneten die Jahre seines Lebens und in jedem Staat war die Polizei hinter ihm her.
    Â»Indiskutabel«, sagte er.
    Â»Und was ist mit uns?« In ihrer Stimme hatte Verzweiflung gelegen.
    Wyatt war unfähig gewesen, darauf zu antworten. Er hatte auf die See hinausgestarrt, auf die steigende Gischt auf der Wasseroberfläche und die Seevögel über den weißen Schaumkronen. Die Wolken waren dahingejagt. Es hatte einiges gegeben, was zu beachten gewesen war: Wellengang, dicht unter der Oberfläche alte, eiserne Schiffscontainer, nur zu sehr darauf erpicht, ein Loch in den Rumpf zu reißen.
    Und seine Gefühle. Liz Redding war streitlustig, intelligent und großmütig. Sie gab ihm das Gefühl, begehrt, wenn nicht sogar geliebt zu werden. Wyatt dachte an ihre geballte Energie, an ihren Witz und ihre Zuneigung. Aber das hatte die Dinge kompliziert. Der alte Affe Selbsterhalt hatte sich eingemischt.
    Â»Wyatt? Bist du taub?«, hatte sie gefragt. »Hast du überhaupt über uns nachgedacht?«
    In das darauf folgende Schweigen hinein hatte Wyatt gemurmelt: »Ständig.«
    Jetzt, hoch oben über der Bass Strait, wurde ihm bewusst, wie fremd ihm eine Unterhaltung war, wie ungewöhnlich die Leichtigkeit eines mit Liz Redding geführten Gespräches. Sein Wesen, das bedeutete Schichten aus Geheimhaltung und Selbstschutz, da war die schon zur Gewohnheit gewordene lebenslange Überzeugung, nur auf sich selbst bauen zu können, nicht auf andere. Die anderen hielten ihn für einfallsreich und wachsam, für einen Mann mit schnellem, düsterem Verstand, der nichts und niemandem vertraute, bei dem man sich jedoch sicher sein konnte, dass ihm die eigene Sicherheit über alles ging. Aber sie wollten mehr, wollten einen Mann mit Zweifeln, Skrupeln und Spontanität. Was er ihnen bot, war ein Mann, der dichtmachte. Sie suchten nach Türen und Fenstern und fanden sie nie. Liz Redding hatte es fast geschafft in diesen sieben Tagen. Es gefiel ihm, machte ihm aber auch Angst. Er hatte erkannt, dass ein Leben mit ihr möglich war. Sie war sein Ausweg, wenn er es gewollt hätte.
    Aber er hatte entschieden, dass er es nicht wollte. Als der Sturm an Intensität zugenommen hatte, hatte Wyatt die Westernport Bay angesteuert, eine Gegend, die er besser kannte als sein eigenes Gesicht im Spiegel. Es war keineswegs notwendig gewesen, in Westernport anzulegen, doch das hatte Wyatt Liz Redding nicht gesagt. Alte Gewohnheiten hatten sich zurückgemeldet und er würde Liz hintergehen.
    Er war unter Deck verschwunden, hatte zuerst die Packung Mogadon aus dem Arzneischrank geholt, war dann zum Backofen in der Kombüse gegangen. Ein voll funktionsfähiger Backofen, eingelassen in das Schott. Zog man am Griff der

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