Niederschlag - ein Wyatt-Roman
sein, aber Chaffey lieà sich nicht zum Narren halten. Denn hatte man den Haupteingang erst einmal durchschritten, stieà man allerorts auf Gewehre und Schlagstöcke, auf Handel mit Drogen, Telefonkarten und Zigaretten und auf die Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Hass.
Trotz alledem zog er eine Unterredung mit Steer in diesem Untersuchungsgefängnis einer in Pentridge vor, wo die Gesprächsräume trostlos und karg, die Wände bei Berührung immer kalt und die hohen Fenster derart verschmiert und tief in die Mauer eingesetzt waren, dass kaum Licht hereindrang, wo die Atmosphäre angefüllt war mit dem Klang von Metall gegen Metall.
Steer, so hieà es, sei den Gebäudereinigern zugeteilt. Das bedeute dreiÃig Minuten warten. In Gedanken fügte Chaffey weitere dreiÃig Minuten hinzu und bat um Einsicht in die Akte seines Mandanten.
Der Angestellte seufzte ausgiebig. »Wollen Sie die jetzt?«
Chaffey war an mürrisches Gefängnispersonal gewöhnt. Erstens war er Anwalt und somit fein raus. Er war nicht gezwungen, sich stundenlang mit dem Abschaum der Gesellschaft einschlieÃen zu lassen. Zweitens behielten Anwälte genau wie Cops alles für sich. Sie blätterten in der Akte eines Knackis, lieÃen ihre kleinen Gehirne warmlaufen und verschwanden anschlieÃend, um wichtige Dinge zu regeln. Sie waren ganz sie selbst. Drittens war Chaffey fett und sah nach Geld aus. Viertens trug er keine Uniform. All das konnte Chaffey vom Gesicht des Angestellten ablesen, allerdings nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Der Mann führte ihn in einen verrauchten Nebenraum. Aus einem Transistorradio hallte es blechern, dank unsauber eingestellter Frequenz plärrte ein ignoranter Moderator die übelsten Vorurteile herunter, die jemals gedacht oder geäuÃert worden waren. Zwei Wärter kamen herein, machten sich einen Kaffee, starrten Chaffey an, übertönten noch das Scheppern des Radios und gingen wieder hinaus. Chaffey wusste, dass sie ihm eins hatten auswischen wollen. Es kümmerte ihn nicht. Anscheinend hatten sie ein Problem mit ihm, er aber nicht mit ihnen.
Der Angestellte kam mit Steers Akte zurück. Offensichtlich verhielt sich Steer vorschriftsmäÃig. Nun, das sollte er auch, da er einerseits ausbrechen wollte und andererseits einer langen Gefängnisstrafe entgegensah, sollte der Ausbruch scheitern.
Fünfzig Minuten später wurde Chaffey in einen Gesprächsraum geführt. Steer saà auf einem Plastikstuhl an einem Plastiktisch und blies Rauchringe gen Decke.
Chaffey wandte sich an den Wärter. »Mein Mandant und ich würden gern unter vier Augen miteinander sprechen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Der Mann wurde rot. »Von mir aus«, sagte er und ging aus dem Raum.
»Sind wir unter uns?«, fragte Chaffey.
Steer nickte. »Kostet mich fünfzig Mäuse. Niemand hört mit.«
»Gut«, sagte Chaffey.
Er machte sich kurz ein Bild von seinem Mandanten. Steer war wachsam, zurückhaltend, offensichtlich entspannt und selbstbewusst. »Geht seiner Wege«, stand im Bericht. »Die rabiaten Männer im Hof lassen ihn in Ruhe.« Chaffey konnte sehen, warum. Wie bei gewissen Hunden spürte man die Bedrohung, die von ihm ausging.
»Ich habe Denise getroffen«, sagte Chaffey.
Steer nickte. Er reckte das Kinn nach oben und blies drei Rauchringe gegen die flackernde Neonröhre.
Chaffey sah jetzt sein Gebiss: ein Knast-Gebiss, abgefaulte Zahnstümpfe und dunkle Löcher. »Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht«, fuhr Chaffey fort. »Neuseeländische Pässe und Führerscheine, ein Boot von Lakes Entrance bis zum Frachter, ein Typ, der dich fährt.«
»Wer?«
»Er heiÃt Ray Wyatt. Für die Polizei ein unbeschriebenes Blatt. Nervenstark, umsichtig, kannst dich voll auf ihn verlassen. Denise hat deine Einkaufsliste abgearbeitet. Der Rest liegt jetzt bei dir.«
»Bei mir sind die Weichen gestellt«, sagte Steer. »Hilf mir mal auf die Sprünge. Dieser Typ, du sagst sein Name ist Wyatt?«
Chaffey nickte und verwandelte das Doppelkinn über seinem Krawattenknoten in ein Dreifachkinn. »Du kennst ihn?«
Steer schüttelte den Kopf. »Hat er einen Vater? Ein übler Zeitgenosse, der Geldtransporter und so überfällt?«
Chaffey dachte, dass »übler Zeitgenosse« ganz gut auch auf Steer zutreffe. »Der Onkel des Jungen. Ist das ein
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