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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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goldenen Teppich, ausgebreitet auf dem Meeresgrund, ging in Gedanken zurück zu dessen Ursprung, dem verrottenden Schiffsrumpf und den vollen Kisten. Sein Anteil würde ihn zu einem reichen Mann machen. Er sehnte sich nach der Jagd, der Entdeckung, der Aufteilung der Beute, nach dem süchtig machenden Element des Risikos. Diese Sehnsüchte wurden gestillt, wann immer er eine Bank ausraubte, aber diesmal handelte es sich bei der Beute um einen vergrabenen Schatz. Ein Schatz. Allein das Wort genügte, ihn zum Träumen zu bringen.
    Tatsächlich jedoch besaß er nichts auf der Welt außer einem gewissen Lebensstil und einer Hoffnung. Der Lebensstil, das waren Kleidung, ein Wagen, ein Apartment — aber kein Geld. Und das Versprechen waren zärtliche Fingerspitzen, ein strahlendes Lächeln und kastanienbraunes Haar — aber kein warmer Körper, der sich nachts in seinem Bett an ihn drängte.
    Diese Überlegungen im Kopf, kaufte Raymond am nächsten Tag mit falschen Papieren eine Kawasaki. Es war eine Maschine, die er früher oder später mal bei einem Job benutzen konnte, aber jetzt brauchte er sie für eine Erkundungsfahrt.
    Der Western District Victorias, Heimat von Kleinstädten, Premierministern und altem und neuem Geldadel, der in den Altersruhesitzen des National Trusts residierte, breitete sich vor dem Buschbanditen aus. Raymond hatte vor, ein paar Tage die Gegend auszukundschaften, die Banken und die angrenzenden Immobilien in Augenschein zu nehmen und dann schnell zuzuschlagen. Vielleicht hatte er Glück. Vielleicht konnte er Vallance’ fünfzig Riesen bei der ersten Bank erbeuten, die er überfiel.
    In Geelong kaufte er Landkarten, fuhr anschließend nach Südwesten, um entlang der Küste nach Warrnambool zu fahren, bevor er Richtung Norden fuhr und dann Richtung Osten nach Mortlake — ein Riesenbogen mit vielen Umwegen abseits der üblichen Route. Auf der Karte markierte er die besten Ziele, die Wege hin und zurück, Straßenarbeiten, Sitz von Polizeirevieren, Gegenden mit Verkehrsstau, Haarnadelkurven, schmale Brücken und Schulbusse. Es mochte pedantisch sein, vielleicht sogar zwanghaft, aber Raymond wollte vor jedem Job mehr wissen, als notwendig war.
    Hätte es diese Begegnung mit Vallance nicht gegeben, wie lange wäre er als Buschbandit noch erfolgreich? Er kannte nur vier Wege, eine Bank um ihre Bestände zu erleichtern: Veruntreuung, gemeinsam mit einer Bande einen großen Geldtransport abfangen, im Verlaufe eines Wochenendes einbrechen und den Tresor und die Schließfächer knacken oder während der Öffnungszeiten allein und bewaffnet in die Bank gehen. Nur Letzteres war für Raymond eine Option. Doch die Banken lernten dazu. Eines Tages würde er in eine Falle tappen.
    Am vierten Tag war Raymond bereit zuzuschlagen.
    Biniguy war eine Kleinstadt, im Grunde nicht mehr als ein kurzes Stück Landstraße auf dem Weg von Victoria in den Südosten South Australias, das schmaler wurde, um einen Wimpernschlag lang zur Hauptstraße zu werden, flankiert von nichtssagenden öffentlichen Gebäuden und alten Läden mit Veranden. Hinter der Hauptstraße befand sich ein kleines Einkaufszentrum — eine Boutique, ein Coles-Supermarkt, eine Bank, ein Mitre-10-Baumarkt und ein Möbelladen umschlossen zwei Seiten eines Parkplatzes. Was die Sicherheit der Bank betraf, war es ein schlechter Standort. Raymond listete auf, was aus seiner Sicht gut daran war: mehrere Ausgänge; ein öffentlicher Parkplatz direkt vor der Tür; jede Menge Leute, die in Gedanken nur bei ihren Einkäufen waren; dreißig Sekunden von der Landstraße entfernt.
    Er parkte die Kawasaki neben dem Eckeingang des Supermarktes und stieg ab. Die Schrotflinte im Rucksack, ging er — von der Bank aus gesehen — in die entgegengesetzte Richtung. Ihn interessierten die Gebäude mit Blick auf das Einkaufszentrum, insbesondere ein Wohnhaus an der Seitenstraße, die Rückseite eines Verwaltungsgebäudes und die Bibliothek an der Hauptstraße. Er hielt Ausschau nach einer Überwachungsanlage. Nach all dem Trubel, den er in den letzten Wochen ausgelöst hatte, war mit dergleichen durchaus zu rechnen.
    Er ging schräg über die Straße und hinein in das Wohnhaus. Hier drinnen, im Eingangsbereich, schienen alle Geräusche von draußen wie erstickt, nur sein verhaltenes Atmen war in der Stille des Treppenhauses

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